Eigentlich ist dies ein John-Tchicai-Album. Mit dem deutschen Vibrafonisten Christopher Dell, dem dänischen Kontrabassisten Jonas Westergaard und dem deutsche Schlagzeuger Christian Lillinger spielte der afro-dänische Saxofonist und Flötist neun Tracks im Studio ein, darunter ein Saxofon-Schlagzeug-Duo und ein Flöten-Bass-Schlagzeug-Trio. Ergänzt werden diese Aufnahmen durch ein Saxofon-Vibrafon-Duo und ein Vibrafonsolo aus einem Tchicai-Dell-Konzert. Altmeister Tchicai ist also der zentrale Gestalter dieses Albums.
Am 8. Oktober 2012 ist er im Alter von 76 Jahre verstorben. Er war der Europäer, der auch im Tumult der New-Thing-Revolution im New York der 60er Jahre an warmherziger und humorvoll melodischer Linearität festhielt und, zurück in Europa, seine Erfahrungen mit großem Herzen teilte. In der europäischen Free-Jazz-Bewegung war er der Gegenpol zum teutonischen Kaputtspielen. Berlin war immer wieder Zentrum von Begegnungen. Auch dieses Album entstand in der deutschen Hauptstadt. Es spricht für große musikalische Offenheit und sensibles Zuhören-Können, dass hier ein Mehrgenerationenprojekt der free music gelingen konnte. Christopher Dell ist Jahrgang 1965, Jonas Westergaard 1976 und Christian Lillinger 1984. Christopher Dells mehrstimmiges Vibrafonspiel ist an Neuer Musik ebenso orientiert wie am Jazz und bildet so eine ideale Folie für Tchicais Explorationen. Christian Lillinger spielt mit souveräner Selbstverständlichkeit ein atmendes Pulsieren, und Jonas Westergaard grundiert die stets weise fließende Musik mit unaufgeregter tiefer Wärme. Jeder Titel ist ein Juwel ‒ wenn sich zusammen genommen auch nicht das einheitliche ideale Schmuckstück ergeben mag.

Thomas Fitterling, 01.12.2012

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