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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Michael Finnissy

Streichquartette Nr. 2 und 3

Kreutzer-Quartett

NMC/Note 1 NMCD180
(64 Min., 3/2007 & 11/2010)

Als Michael Finnissy vor vierzig Jahren erstmals von einer Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, versah man ihn reflexhaft mit dem Label „New Complexity“. Der Reflex war vielleicht ein Zeichen der Verstörung darüber, dass sich nach (man möchte sagen: jahrhunderte-) langem Schweigen aus England endlich wieder eine Avantgarde zu Wort meldete. Doch die Schublade, die für den bekannten Kollegen Bryan Ferneyhough trotz dessen Widerworte bis heute einigermaßen passt, verfehlt den Kern von Finnissys Musik, jedenfalls macht sie gar keinen Sinn mehr in Bezug auf das, was Finnissy heute schreibt.
Wer seine beiden zwischen 2006 und 2009 entstandenen Streichquartette hört, die das Kreutzer-Quartett in ausgezeichneten Aufnahmen beim Nischenlabel NMC präsentiert, der entdeckt unter der tatsächlich wilden Oberfläche eine Musik, der es nicht um Komplexität geht und um intellektuelle Angeberei und nur sehr am Rande um Virtuosität. Er hört eine sehr persönliche Musik, die mitten im Hier und Jetzt steht und doch ihre Antennen ausrichtet auf die Vergangenheit. So begegnen wir in den Quartetten einigen verstorbenen Kollegen von Finnissy: Joseph Haydn mischt sich ein im Quartett Nummer zwei – seine Musik scheint hier und da verzerrt durch eine Oberfläche, die mal stark aufgeraut ist und dann wieder befriedet wird von dichter Poesie.
Arnold Schönberg ist der Pate des Quartetts Nummer drei. In dessen zweitem Quartett vor einem Jahrhundert wurde geschwärmt von der „Luft von anderem Planeten“. Ein Sopran sang diese Botschaft, die bedeuten wollte: Mit dem, was da ist, kann sich große Kunst nicht zufrieden geben. Finnissy entgegnet diesem Blick in die Sterne den Blick in den eigenen Garten: Vögel zwitschern da vergnügt ein buntes Konzert. Warum also in die Ferne schweifen? Seine Quartett-Kunst konfrontiert der Engländer mit der Musik der Natur: Im Laufe des rund dreiviertelstündigen Werks übernehmen die Vögel mehr und mehr das Ruder. Das Konzept ist vielleicht etwas brachial, doch hat es durchaus seinen Charme ‒ es überrascht und öffnet die Ohren.

Raoul Mörchen, 03.11.2012


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