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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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John Cage

Birdcage ‒ 73'20.958'' For A Composer

Diverse

Wergo/Note1 MV08065
(73 Min., 1972)

Die Befreiung des Interpreten aus seiner Unmündigkeit hatte John Cage sich nahezu sein ganzes Leben lang auf die Fahnen geschrieben. Und um die gestalterische Eigenverantwortung bei einem Pianisten oder einem Orchestermusiker voranzutreiben, brach Cage mit sämtlichen Konventionen einer rigoros durchkonstruierten Partitur. Für den Amerikaner besaß dieser künstlerische Appell an die individuelle Freiheit aber stets auch gesellschaftspolitische Sprengkraft. Zwar liebäugelte Cage in der Entstehungszeit dieses vom Komponisten und Musikphilosophen Hans G Helms konzipierten Films mit dem Maoismus. Doch im Gegensatz zu manch anderen Kollegen wie Luigi Nono oder Hans Werner Henze war er kein Mann von marktschreierischen Parolen, sondern übersetzte seine Visionen schon mal in surreale Wortklang-Vorträge, die er mit sanfter Stimme vortrug. Dass Cage damit immer auch etwas Guruhaftes besaß, wird in einem Mitschnitt von einer Lesung in einer Kirche deutlich, in die unzählige Jünger gepilgert waren.
Aus der heutigen Distanz muten solche Cage-Messen doch schon etwas komisch an. Und wenn sich Cage mit zwei prominenten Fans, mit dem Ex-Beatle John Lennon und dessen Frau Yoko Ono, über die Kunst des Singens unterhält, wird man Ohrenzeuge eines pseudo-intellektuellen Geplauders. Doch eben auch diese Seiten von Cage zeigte Hans G Helms 1972 in seiner Filmcollage „Birdcage - 73'20.958'' For A Composer“, die zum 60. Geburtstag des Komponisten entstanden war. Ganz in Cages Sinne fehlt es dieser Hommage an einer klassischen Dramaturgie. Historische Aufnahmen von Cage bei den Donaueschinger Musiktagen 1954, Ballett-Probenausschnitte von seinem choreografischem Alter Ego Merce Cunningham oder Begegnungen mit der New Yorker Künstler-Bohème werden da eher zu einem assoziativen Bilderrausch-Porträt montiert, bei dem als musikalische Grundlage Cages Tonbandkomposition „Birdcage“ fungiert. Denn für Cage war der Vogelkäfig Sinnbild dafür, dass sich nicht nur das künstlerische Individuum in Unfreiheit befand. Gleich zu Beginn des Films fragt er zwar mit seinem typischen Lächeln einen exotischen Piepmatz immer wieder nach seinem Namen. Nur das Türchen des Vogelkäfigs hat Cage dann doch nicht aufgemacht.

Guido Fischer, 29.09.2012


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