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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johann Christian Schieferdecker

Geistliche Konzerte

Klaus Mertens, Jan Kobow, Simone Eckert, Hamburger Ratsmusik

Carus/Note 1 CAR83398
(62 Min., 1/2012)

Johann Christian Schieferdecker ist in die Musikgeschichte eingegangen als Nachfolger und Schwiegersohn Dietrich Buxtehudes: Gemäß der Tradition an der Lübecker Marienkirche musste der Anwärter auf das Organistenamt eine Tochter seines Vorgängers heiraten, sofern noch eine ledige übrig war – eine damals gar nicht selten anzutreffende eigenwillige Form der sozialen Fürsorge, ohne Weiteres waren auch evtl. anfallende altenpflegerische Leistungen für die Schwiegereltern in den Handel einbegriffen. Buxtehude selbst hatte einstmals Franz Tunders Tochter geheiratet, und Schieferdecker wiederum heiratete Anna Margareta Buxtehude, die vier Jahre älter als er und – hier verlassen wir den Boden der verlässlichen Musikgeschichtsschreibung – angeblich recht hässlich war.
Bisher harrten die nur spärlich überlieferten Kompositionen Schieferdeckers ihrer Wiederbelebung. Nun hat sich Simone Eckert mit der „Hamburger Ratsmusik“ und zwei engagierten Gesangssolisten des Nachlasses erbarmt. Und wenn man das geistliche Konzert „Triumph, Triumph, Belial ist nun erleget“ für Bass-Solo, zwei Violinen und Continuo so an sich vorüberziehen lässt, dann fragt man sich mehr als einmal, ob dieses Opus nicht in der Schublade hätte bleiben sollen: Das Textbuch weist eine Hölzernheit auf, die im Vergleich etwa Bachs Leipziger Kantatenlibretti als poetische Meisterwerke erscheinen lässt. Die musikalische Faktur ist von allenfalls rührender Einfachheit: I-IV-V-I-Harmonik ohne jeden Schmuck, im Diskant ziellos repetierte virtuose Spielfiguren, simple Melodik für den Gesangssolisten.
Glücklicherweise bringt das „Concert IX g-Moll“, gedruckt 1713 in Hamburg als Teil einer Sammlung von insgesamt dreizehn solcher ouvertürenartigen Werke, etwas frischen Wind in die Programmfolge: Schieferdecker erweist sich hier als deutlich einfallsreicher – ebenso wie übrigens auch im nachfolgenden Psalm-Concerto „In te Domine speravi“. Hier finden harmonische Nebenstufen reichere Verwendung, auf der Ebene des Wort-Ton-Bezuges geht es ebenfalls differenzierter zu als eingangs im biederen Triumphgesang anlässlich des Sieges über den bösen Belial. Man ist zumindest erleichtert, wenngleich vielleicht noch nicht wirklich begeistert. Letzteres bewirkt indes nicht allein die Musik als solche, sondern gelegentlich auch die Ausführung: Auf instrumentaler Ebene blieb das eine oder andere bedauerliche Missgeschick stehen, vor allem unsaubere Töne in der Continuogruppe irritieren. Gut schlagen sich dagegen die Gesangssolisten: Jan Kobow gestaltet das lateinische Psalm-Concerto effektvoll und ausdrucksstark, Klaus Mertens ringt mit seiner gewinnenden Art des Darbietens der mittelmäßigen Musik Schieferdeckers den einen oder anderen lichten Moment ab.

Michael Wersin, 26.05.2012


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