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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Alessandro Striggio, Orazio Benevoli, Francesco Corteggia

Messe für 40 und 60 Stimmen, ein Gottesdienst für Johannes den Täufer in Florenz

Le Concert Spirituel, Hervé Niquet

Glossa/Note 1 GCDSA 921623
(64 Min., 9/2011) SACD

Großbesetzte mehrchörige Kirchenmusik, in der sich vokaler und instrumentaler Klang auf unterschiedlichste Weise mischen, gehört zu den eindrucksvollen Phänomenen des stilistischen Übergangs von der Renaissance zum Barock. Italien ist die Wiege dieser Technik, mittels der sich Musik und Architektur zu einem Gesamterlebnis vereinen; u.a. im venezianischen Markusdom gelangte sie um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert zur Vollendung. Ihre Wurzeln reichen aber noch ein gutes Stück zurück ins 16. Jahrhundert hinein: Der Mantuaner Alessandro Striggio brachte schon in den 1560er Jahren in verschiedenen europäischen Metropolen 40- bis 60-stimmige Musik zur Aufführung, u.a. in Paris, wo er König Charles IX. mit einer entsprechend monumental besetzten Messe erfreute.
Man geht davon aus, dass Striggios 40-stimmige Messe vom Großherzog von Florenz in Auftrag gegeben wurde, der womöglich zum Johannistag (24. Juni) ein besonders prachtvolles Stück für den Festgottesdienst in der Florentiner Kathedrale präsentieren wollte. Erst 1978 wurde das Manuskript wiederentdeckt. An Hervé Niquets Aufnahme dieses einzigartigen Stückes sind 54 Sänger und Instrumentalisten beteiligt; weitere 20 Sänger treten beim „Agnus Dei“ hinzu, denn hier steigert sich die Besetzungsstärke noch einmal maßgeblich: Statt 40 sind sogar 60 Einzelstimmen auszuführen. Die Einzelstimmen sind zu meistens achtstimmigen Chören gebündelt, die dann in verschiedenen Kombinationen miteinander kommunizieren; und es ist historisch belegte Praxis, dass die einzelnen Chöre solcher Werke gemischt mit Sängern und Instrumentalisten besetzt wurden. Das Besondere an Hervé Niquets Interpretationsansatz ist, dass er in einigen dieser Chöre Einzelstimmen nicht (wie meistens zu hören) einzeln, sondern mehrfach (Sänger plus Instrumente) besetzt. Die ohnehin gewaltige Wirkung der Musik steigert sich durch diese Maßnahme noch v. a. in puncto Klangfülle; außerdem erreicht Niquet auf diese Weise eine deutlichere Abhebung der Tutti-Passagen von kleiner besetzten Abschnitten. Die Ausführung kann nur als tadellos bezeichnet werden: Niquet hat den riesigen Apparat souverän in der Hand – es wird nicht nur mit breitem Pinsel gemalt, sondern immer wieder auch auf Basis solistischen Vokalklangs fein gezeichnet. Freilich gelangt solche Musik nur im Raum zu ihrer größtmöglichen, räumlich erlebbaren Wirkung. Deshalb ist es erstaunlich, welch ein scharf konturiertes, klar gegliedertes Klangbild die Tontechnik für diese CD festzuhalten vermochte. Ein durch und durch gelungenes Projekt!

Michael Wersin, 19.05.2012


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