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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Movin’: The Complete Verve Recordings

Wes Montgomery

Verve/Universal 277 0469
(383 Min., 11/1964 – 9/1966) 5 CDs

In Zeiten zunehmender Akademisierung des Jazz sei daran erinnert, dass manche wegweisende Spielweise von Autodidakten entwickelt wurde, die schlicht ihrer Intuition folgten. Wes Montgomery ist einer von ihnen. Als er einmal Charlie Christian hörte, legte er sich eine Gitarre zu und beschloss, sich selbst beizubringen darauf zu jazzen. Da er auf seine Mitbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen musste, verzog er sich in eine Ecke und vertauschte das übliche Plektrum mit dem leiseren Daumen. So entwickelte er seine legendäre Spielweise mit seinem sensiblen wie geschwinden Daumen, die unüblich, ja „technisch unmöglich“ ist und doch ebenso verblüffend funktioniert und wegweisend wurde wie Gillespies Blasen mit aufgeblähten Backen.
Montgomerys eindrucksvolle Oktavläufe werden heute noch gerne abgekupfert. Erstaunlicherweise blieb er – sieht man von einer kurzen Zeit bei Lionel Hampton ab – bis in die späten 50er Jahre Fabrikarbeiter, der nur nach Dienstschluss in seiner Heimatstadt Indianapolis auftrat. Aus jazzpuristischer Warte sind seine Aufnahmen für das Riverside (1959 – 63) der Höhepunkt seiner Diskografie. Allerdings scheint ihm eben Jazz pur so wenig eingebracht zu haben, dass er nach dem Bankrott des Labels ernsthaft in Erwägung zog, seinen Brotjob wieder aufzunehmen. Die Rettung kam in der Gestalt des Produzenten Creed Taylor, der ihn mit Instrumentalfassungen von Pophits lancierte – Schlager, die für ihn (im Gegensatz zu seiner Hörerschaft) nicht zu seinem Repertoire gehörten und die er eigens für die Plattenaufnahmen erlernen musste. Doch genau damit machte er Schule. Die 1964 bis 1966 aufgenommenen Alben für Verve sind hier (abgesehen von weniger bekannten alternate takes) komplett: „Movin’ Wes“, „Bumpin’“, „Smokin’ At The Half Note“, „Goin’ Out Of My Head“, „Tequila“, „California Dreaming“, „Jimmy & Wes: The Dynamic Duo“, „Further Adventures Of Jimmy Smith and Wes Montgomery“. Einzig auf „Smokin’ At The Half Note“ boppte er so kompromisslos wie bei Riverside. Die übrigen Alben haben überwiegend kommerziellen Charakter, doch mit allen Wassern gewaschene Arrangeure wie Oliver Nelson, Don Sebesky und Claus Ogerman schufen für Bigbands und Streicher Backgrounds, die ihm zu unerwarteter Breitenwirkung verhalfen. Die natürliche Schönheit seines Spiels kam in diesem kunstgewerblichen Rahmen zur Geltung wie der Gesang eines gefangenen Vogels im goldenen Käfig. Der siebenfache Familienvater musste nie wieder in die Fabrik.

Marcus A. Woelfle, 14.04.2012


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