Berlin Classics/edel 0300331 Basso continuo
(70 Min., 2010/2006)
Hier der zen-buddhistisch Introvertierte, dort der Hitzkopf mit Dämonen- oder Titanen-Image: Das passt wohl nicht recht zusammen. Und doch passt es, vernimmt man, wie Kent Naganos neue Beethoven-Platte beide Klischees revidiert. Zwar mutiert der japanische (in amerikanischer Westküsten-Sozialisation aufgewachsene) Ehrendirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters auch jetzt nicht zum rabiaten Traditionenzertrümmerer; doch wer glaubt, in Beethovens Tripel- und drittem Klavierkonzert ginge es nur sanft asiatisch lächelnd zu, der irrt. Nagano wählt für alle vier Ecksätze drängende Tempi und lässt sich trefflich von Beethovens kantigem Humor, respektive herrischem c-Moll-Tonfall, infizieren. Wie es sich für ein Klaviertrio gehört – das nämlich ist im Grunde das eigenartige C-Dur-Opus, nur dass es über die drei Solisten hinaus mit dem Orchester noch einen vierten selbständig Handelnden aufweist –, dominiert die Beethoven-Kennerin (und Nagano-Gattin) Mari Kodama das solistische Geschehen. Aber Kolja Blacher und Johannes Moser ziehen mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit auf sich. Wie das Trio seine (virtuos etwas undankbaren) Partien in den Dienst von Beethovens mal quirligem, mal mozärtlich-anmutigem, mal aufbrausenden Humor stellt, wie es tänzelt, Haken schlägt und Stimmungswechsel auskostet: Das ist dann doch eine Meisterleistung an Finesse und Esprit, wie sie dem Tripel-Opus nur selten zuteilwird. Im c-Moll-Klavierkonzert wird schnell klar, dass Kodama eher leidenschaftliche Sängerin denn Strukturalistin ist. Etwas vordergründig setzt sie in der Durchführung des Kopfsatzes auf melodieführende Stimmen und Stimmungen, so dass – verglichen mit den Aufnahmen von Brendel/Rattle oder Aimard/Harnoncourt – Beethovens pointierte Akzentsetzungen und Kontrapunktkämpfe unterbelichtet bleiben. Dazu „passt“ eine mit viel Pedal vorgetragene, geradezu traumverlorene Kadenz. Andererseits: Einen filigraneren Dialog als denjenigen, den das Ehepaar Kodama-Nagano im duftenden Largo inszeniert, kann man sich kaum ausmalen.
Christoph Braun, 31.03.2012
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