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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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G9 Gipfel Berlin

Gerhard Gschlößl

Jazzwerkstatt/Records Vertriebsges. JW 080
(54 Min., 8/2009)

Stadtluft macht frei, Hauptstadtluft umso mehr. Ganze Netzwerke von immer wieder auch aus dem Westen zuziehenden Musikern sichern den Fortbestand Berlins als eines der aufregendsten Zentren der im Jazz gründenden improvisierten Musik. Einen zentralen Knotenpunkt im Netzgeflecht stellen die Aktivitäten von Ulli Blobels Label Jazzwerkstatt dar. Eine Schlüsselfigur dabei ist inzwischen der ursprünglich aus Bayern stammende Posaunist Gerhard Gschlößl. Zu dessen Säulenheiligen zählen Charles Mingus und Thelonious Monk, und sein Instrumentalstil hat sich mit Rückgriffen auf Roswell Rudd und Ray Anderson von Albert Mangelsdorff und Conny Bauer emanzipiert. Jetzt hat er mit acht prominenten Kollegen aus der Jazzwerkstatt-Familie eine Art Mingus'schen Jazzworkshop gebildet und ein prall lebendiges, rein akustisches Album eingespielt. Das ist tief im Freebop und der Avantgarde der Sechzigerjahre verwurzelt – Alexander von Schlippenbach, der Doyen der Berliner Free-Szene, gibt sich am Klavier die Ehre. Doch Traditionsbewusstsein ist hier vor allem musikantische Könnerschaft, mit der die Gipfelteilnehmer lustvoll die Gegenwart in die Mangel nehmen. Dazu gehören die Spielarten des Free-Rock à la Roter Bereich, vertreten durch den Bassklarinettisten Rudi Mahall und John Schröder als Gitarristen, ebenso wie skurril Feinsinnigeres von den Bläsern Axel Dörner (Trompete), Wanja Slavin (Altsaxofon) und Tobias Delius (Tenorsaxofon). Angetrieben, unterstützt und punktgenau in der Balance gehalten wird das von dem herausragenden Rhythmusteam mit Johannes Fink am Bass und Christian Lillinger am Schlagzeug. Bei allem Bekenntnis zur Improvisation ist das quasi musiktheatralische Organisations- und Arrangiertalent des Leaders das bestimmende Moment. Der eulenspiegelhaft dramatische Humor des musikalischen G9-Kommuniqués macht diesen Gipfel nachträglich und unbewusst zu einer Hommage an den kürzlich verstorbenen großen Niederländer, den Jazztheatraliker Willem Breuker und dessen "Kollektief".

Thomas Fitterling, 25.09.2010


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