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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Noch so ein dreistündiger Händelschinken mit Dutzenden von Arien, Rezitativen, Chören und einem grausig alttestamentarischen Sujet!? Angesichts des derzeitigen Oratorienausstoßes kann man schon ins Seufzen kommen. Wer sich jedoch in einen der gut 20 Gattungsbeiträge hinein begibt, der kann nur staunen über den individuellen Einfallsreichtum der scheinbaren Massenware. Das gilt gerade für "Samson", den das Label Carus in seiner sorgfältig gestalteten Reihe aus der Dresdner Frauenkirche veröffentlicht hat. Das 1741/42 geschriebene Werk gilt vielen als so bedeutend wie der kurz zuvor konzipierte "Messiah". Und das, obwohl der Titelheld nur ein mitleiderregend-leidender, wie man heute sagen würde: ein echter Loser ist. Geblendet und gedemütigt liegt der ehemalige Volksheld der Israeliten in den Sklavenketten der Philister, seine Schwäche fürs schöne, zudem stammesfremde Geschlecht hat ihn um sein Haupthaar, ergo seine legendäre Kraft und Ehre gebracht. (Zwar gelingt ihm zum Abschluss noch ein Coup, aber der kostet ihn das Leben.) So zupackend und sinnenfroh wie Nicholas McGegan, seit 1991 Leiter der Göttinger Händelfestspiele, seine beiden Sujet-erfahrenen Ensembles die festliche Eröffnungsszene der Philister anstimmen lässt, könnte man blasphemisch meinen, Samson sei auch wegen dieser herrlichen Musik seiner Feinde derart niedergeschlagen. Die Töne, mit der er tenoral sein Schicksal beklagt, sind zwar von herzergreifender Art, werden aber von Thomas Cooley etwas brüchig und vibratolastig angestimmt. Nur seine virtuosen Aufforderungen an Jahwe (aktiv zu werden) und an seine Gattin Dalila (nach ihrem Betrug endlich die Finger von ihm zu lassen) beeindrucken mehr. Seine Angehörigen und Gegenspieler sind hingegen allesamt bestens bei Stimme und Darstellungskraft – erst recht Sophie Daneman mit einem verführerisch-gurrenden Sopran, der auch den härtesten Mann zum Schmelzen bzw. den niedergestrecktesten zum Stehen bringt – auch wenn ihm danach nur noch der heroische Abgang bleibt. In der Tat: "A Grand Musical Entertainment" aus Dresden.

Christoph Braun, 21.11.2009


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