medici arts/Naxos 2057188
(145 Min.) 1 DVD
Es ist schon verrückt: Da schreibt Johann Sebastian Bach sechs wunderbare Triosonaten für Cembalo und Violine – doch abseits der Fraktion der Alten Musik will sie kaum einer spielen. Unter den klassischen Allround-Geigern ist Frank Peter Zimmermann die seltene Ausnahme. Nach einer vor anderthalb Jahren veröffentlichten Studioproduktion auf CD legt er mit seinem langjährigen Begleiter Enrico Pace noch einmal nach: In der historischen Kulisse der Klosterbibliothek im bayerischen Polling haben die beiden vor einem kleinen Publikum den gesamten Zyklus nun auch filmisch dokumentieren lassen. Die spätbarocke Architektur ist für dieses Projekt ein schöner und zudem akustisch tauglicher Rahmen – nicht mehr und nicht weniger. Die Kamera beobachtet zwei denkbar uneitle Musiker ganz uneitel bei der Arbeit. Das Filmteam verzichtet auf Effekte, Zimmermann und Pace tun es auch. Ihr Bach ist klar und durchsichtig, schnörkellos und überraschend puristisch. Überraschend, weil die nicht ganz zeitgemäße, heute jedenfalls eher ungewöhnliche Entscheidung, diese Triosonaten mit modernem Instrumentarium zu spielen, zunächst anderes vermuten lassen würde: einen bewusst virtuosen, kontraststarken Auftritt nämlich. Doch nichts dergleichen. Leider verpasst das Filmteam die Chance, in der den Konzertmitschnitt begleitenden Dokumentation an diesem Punkt nachzuhaken: Man lässt Zimmermann freundlich parlieren über dies und das, doch hierüber nicht. Auch nicht darüber, warum Zimmermann, anders als etwa Kollegen wie Christian Tetzlaff oder Viktoria Mullova, seine Artikulation kaum an die historische Aufführungspraxis anpasst. Er gönnt sich und seinem Publikum keine Verzierungen, auch nicht in den Wiederholungen, versetzt jeden Ton mit einem feinen Vibrato, nutzt in den langsamen Sätzen die volle Länge seines – modernen – Bogens und verleiht seinem Vortrag überhaupt eine Ebenmäßigkeit und feine Noblesse, die dem Barock nun einmal eher wesensfremd sind. Zimmermanns Antworten auf die ungestellten Fragen muss man der Musik ablauschen. Nicht immer, aber größtenteils leuchtet diese Argumentation dann auch ein: Man kann Bach auch heute noch so spielen. Wenn man ihn so spielt, so differenziert und filigran in der Phrasierung, so transparent in der Stimmführung, so schlüssig in der Form.
Vielen Sätzen, vor allem den langsamen, bekommt es sehr gut, dass Frank Peter Zimmermann und sein Klavierpartner Enrico Pace ihren Bach mit Samthandschuhen anfassen. Eine sanfte Heiterkeit umfängt den gesamten Zyklus auch dort, wo eine andere Stimmung durchaus denkbar wäre. Hin und wieder wünscht man sich einen beherzteren Zugriff, etwas mehr dramatische Entwicklung, deutlichere Kontraste. Doch Zimmermann und Pace schattieren lieber, als dass sie Hell und Dunkel aneinander setzen, sie zeichnen mehr, als dass sie malen. Wie gesagt, man kann diese Musik auch ganz anders spielen.
Raoul Mörchen, 01.08.2009
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