Das neueste Album des niederländischen Cellisten Ernst Reijseger ist ein typisches Produkt aus dem Hause Winter & Winter. Zwar ist es in der "Music Edition" erschienen, aber es erinnert an die "Audiofilme", die sich ja auch immer als auditive Inszenierungen ihrer Aufnahmeorte verstehen. Reijsegers Soloalbum wurde in der ehemaligen Kirche eines großen toskanischen Oliven- und Weingutes aufgenommen, und das exklusive Winter-typische Digipack mit dem Leporello einer Serie von ruhig heiter-meditativen Jerry-Zeniuk-Farbpunktgemälden erweckt die Erwartung einer programmatischen akustischen Parallele.
Das Eröffnungsstück scheint die Erwartungen auch einzulösen mit morgendlichem Vogelgezwitscher im Hintergrund, zu dem Reijseger ein furioses Pizzicatospiel in virtuosester Flamenco-Gitarren-Manier entfesselt. Von virtuosen Alternativtechniken sind auch die restlichen zwölf Titel geprägt, wobei doch immer ein letztlich streng tonal bezogener, ja bisweilen mit Arpeggien- bzw. Ostinatostrukturen oft harmonieorientierter Klärungswille vorherrscht. Das schließt nicht aus, dass Reijseger auch schon mal die ätzenden Wonnen von Interferenzklängen bei gestrichenen Minimaltonabständen auslotet, denn der Gestus von Reijsegers Musik ist der einer grenzsuchenden action. Die Farbpunkte – um in der Analogie der Bebilderung zu bleiben – entwickeln eine Molekularbewegung, bei der sie ineinandergeraten, schlierenhaft auslaufen und die Gestalt von Jackson-Pollock-Strukturen annehmen. In den abwechslungsreichen Miniaturen erzählt Reijseger tatsächlich fast everything. Darüber allerdings, welch hinreißendend singenden Klang ein wunderbar gestrichenes Cello auch haben kann, schweigt er.

Thomas Fitterling, 28.02.2009

---

Diese CD können Sie kaufen bei:

---

---

Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.

---