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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Richard Strauss

Der Rosenkavalier

Claire Watson, Karl Ridderbusch, Brigitte Fassbaender, Lucia Popp, Bayerisches Staatsorchester, Carlos Kleiber

Orfeo C 581083 D
(187 Min., 7/1973) 3 CDs, SACD

Die Merkmale des Außergewöhnlichen trug der "Rosenkavalier" bereits, wenn Carlos Kleiber in den Sechzigerjahren nach München anreiste, um die altgediente, aus dem Prinzregententheater ins Nationaltheater übernommene Inszenierung von Rudolf Hartmann zu dirigieren. Er tat das mehr oder weniger aus dem Stand und vollbrachte jedes Mal ein Wunder an struktureller Transparenz, innerer Belebtheit und geballter Energie. Als er 1972 in Abstimmung mit dem Regisseur Otto Schenk den "Rosenkavalier" in neuer Produktion herausbrachte, kam etwas zustande, das als "Sternstunde" gerühmt wurde. Diesmal hatte Kleiber ausreichend Gelegenheit, seinen Sängern, seinem Orchester jenen Feinschliff zu verleihen, der das Publikum und ihn selbst gleichermaßen selig stimmte. Im Jahr darauf wurde eine Vorstellung mitgeschnitten – jetzt liegt ein Dokument vor, das mittlerweile auch schon mehr als eine Generation in die Vergangenheit zurückreicht. Ein Zeugnis in der Tat, das noch einmal gegenwärtig macht, auf welche Gipfel der Rasanz und Brillanz Kleiber sein Ensemble führen konnte. Durch die Partitur zieht der große, vehemente und unermüdliche Atem. Das allerdings geht nicht ohne Einbußen ab. Die Musik erscheint wie komprimiert, der Zug nach vorn steigert sich zum Zugzwang, das Atemberaubende gerät in Atemnot. Am Ende dieses "Rosenkavaliers" wundert sich der Zuhörer, dass die "Komödie für Musik" so "kurz", dass alles so schnell vorbei ist. Das liegt nicht allein an den Strichen, die Kleiber im 1. und 3. Akt – aufführungsüblich – vorgenommen hat. Die Steigerungen an Spannung und Tempo sind von unerhörter Kraft, sie werden aber kaum jemals aus den Augenblicken des Verweilens entwickelt, die zügige Abfolge von Aktionen überspielt in der Eile die Wirkungen von kontrastierender Spannung und Entspannung.
Fassbaender als Octavian, Popp als Sophie sind konkurrenzlos, zumindest gab und gibt es keine besseren Sängerinnen in diesen Partien. Ridderbusch zeigt, dass der Ochs eine Partie zum Singen ist, ein Fall von Bass-Belcanto und nicht nur eine Herausforderung an parlierender Textbewältigung. Freilich, er verfügt nicht, wie Ludwig Weber 1953 unter Erich Kleiber, über die rhythmische Präzision und den Reichtum an Bedeutungsnuancen. Claire Watson war ein Jahrzehnt früher eine zu Recht gefeierte Marschallin. 1973 liefert sie nur noch einen angerauten Abglanz ihrer einstigen Vorzüge und hat mit zunehmender Aufführungsdauer Höhenprobleme. Als italienischer Sänger zieht sich Gerhard Unger achtbar aus der Affäre, Albrecht Peter als Polizeikommissar fällt angenehm auf, weil er, im Gegensatz zu anderen Veteranen des Hauses, nicht chargiert. Die übrigen Besetzungen offenbaren eher die Nöte als die Tugenden eines Hausensembles, das in Jahrzehnten seinen Dienst geleistet hat und immer noch unter Vertrag steht. Fazit: Ein Münchner "Rosenkavalier" unter Carlos Kleiber, ausgestattet mit dem atmosphärischen Mehrwert und den Unwägbarkeiten einer Liveaufführung, jedenfalls ein Dokument über der Norm des Üblichen, das Einwände sehr wohl verkraften kann.

Karl Dietrich Gräwe, 10.01.2009


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