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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Schon das Cover offenbart: diese Liveaufnahme des Verdi-Requiem aus der Stuttgarter Liederhalle von 1960 wurde kaum des Werkes und oder gar seines Dirigenten wegen veröffentlicht: Fast hätte man Hans Müller-Kray vergessen, so scheint es. Dabei hat der ehemalige Chef des Stuttgarter RSO eine durchweg solide Leistung abgeliefert – mit wenigen Enttäuschungen und einigen fulminanten Höhepunkten, wie dem dynamisch ausgefeilten „Dies irae“, das ohne Bombast und Verschleppungen daherkommt, dafür bedrohliche Crescendi („Lacrymosa“) und abrupte Pianissimo-Abgründe aufweist. Um so befremdlicher wirkt die allzu deutsch-korrekte, ergo unitalienische Aussprache des Lateinischen bei den Stuttgarter (Lehrer!-) Chören - mit ihren grellen Vokalen und harten t-Absprachen, die das „eis“ nicht zu Verdis „äis“, sondern zu „eeiis“ und das „luceat“ nicht zu „ludschäad“, sondern zu „luzzeeatt“ werden lassen.
Wie sich Fritz Wunderlich, natürlich der alleinige Grund der Veröffentlichung, hier in seiner einzigen Aufnahme der Verdi’schen Totenmesse präsentiert, das begeistert restlos – und lässt ein wenig schmunzeln. Denn mit soviel herrlichen Glottis-Aufschlägen, Legatoschmelz und wunderbar strahlenden Höhen wird das „Ingemisco“ des deutschen Jahrhunderttenors zum puren, hinreißenden Bühnengebet. Letzteres bringt auch Wunderlichs väterlicher Freund, der schlank und kernig aufsingende Gottlob Frick zustande. Sodass man allerdings auch an Verdis Mahnung an seine Uraufführungssänger denken muss, wonach seine Totenmesse (trotz ihrer einzigartigen Emphase) nicht wie eine Oper gesungen werden dürfe! Maria Staders glockenheller Sopran ist zwar vor Theatertränen gefeit, nicht jedoch vor der Überforderung, die die berüchtigten Tiefenregister ihrer Partie mit sich bringen kann. Andererseits überrascht sie, ebenfalls im „Libera me“, dem Kernstück des Ganzen, mit einer unerhörten Strahlkraft (die sie wiederum nicht schützt vor dem chorischen Intonationsdebakel beim „Requiem aeternam“-Schluss). Während Marga Höffgen ihre legendären Alt-Qualitäten nur bedingt zeigt (und zeigen kann), bestechen die solistischen Ensemblequalitäten: So homogen und intonationssicher hört man die Terzette und Quartette selten. Unter dem Strich also eine lohnenswerte Veröffentlichung - mit den sprichwörtlich „wunderlichen“ Höhepunkten.

Christoph Braun, 13.09.2008


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