Documents/SPV M231134
(570 Min., 1938-1956) 10 CDs
Die meisten klassischen Aufnahmen von Benjamin Brittens Werken unter seiner eigenen Leitung entstanden, als er bereits ein anerkannter Komponist war und sich zumindest auf dem Weg befand, zu seinem eigenen Monument zu werden. Auch für seinen Lebensgefährten, den Tenor Peter Pears kamen einige der späteren Aufnahmesitzungen schlicht zu spät. Auf diesen zehn CDs sind die beiden (und viele andere namhafte Künstler) als wilde junge Leute zu erleben, die sich mit hörbarem Vergnügen in die Musik werfen und dabei mitreißenden Schwung entwickeln. Die Aufnahmen haben teilweise ein historisches Rauschen, doch wer sich in den nostalgischen Klang einhört, wird beispielsweise mit einer grandios geheimnisvollen "Serenade für Tenor, Horn und Streicher" aus dem Jahr 1944 belohnt. Die selten gespielte Oper "The Rape of Lucretia" ist nun in einer Aufnahme aus dem Jahr 1946 verfügbar mit der Uraufführungsbesetzung, die längst nicht so steifbeinig daher kommt, wie die spätere Studioaufnahme. Ähnliches gilt für die Gesamtaufnahme von "The Turn of the Screw" und die Auszüge aus "Billy Budd". Besonders beeindruckend ist die Kirchenkantate "Saint Nicolas". Das Werk ist für den Chor einer Pfarrkirche und die Solisten des noch jungen Aldeburgh-Festivals geschrieben. Britten kombinierte die Möglichkeiten der Laienmusiker virtuos mit dem Können der professionellen Musiker. Dabei entsteht eine faszinierende Mischung aus tief verwurzeltem Glauben, konzentrierter Spielfreude der Laien und inspirierender Musikalität der Profis. Diese Mischung muss den Zauber der ersten Festspieljahre ausgemacht haben, in denen Britten sich stets um eine enge Verbindung mit den örtlichen Kräften bemüht hat. Außerhalb Englands sind nur wenige der Sänger bekannt, doch gehören sie alle zur künstlerischen Familie Britten/Pears und setzen deren Vorstellungen mustergültig um. Gelegentlich sogar besser als Britten selbst in seinen späten Aufnahmen, die er und seine Plattenfirma Decca für mustergültig hielten. Einziger Mangel ist das Beiheft, in dem Angaben über die Aufnahmen willkommener gewesen wären als ein Essay über die Schwierigkeiten als homosexuelles Paar im England der 50er Jahre.
Uwe Friedrich, 27.06.2008
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