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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Michael Tippett

A Child Of Our Time

Ute Selbig, Nora Gubisch, Jerry Hadley, Robert Holl, Chor der Sächsischen Staatsoper, Sächsische Staatskapelle Dresden, Colin Davis

Edition Günter Hänssler Profil/Naxos PH07052
(65 Min., 7/2003) 2 CDs

Kaum ein Komponist des vergangenen Jahrhunderts war so sehr Humanist und Pazifist im emphatischen Sinn wie der vor zehn Jahren verstorbene Michael Tippett. Und das nicht nur bequem-theoretisch: 1943 ging der Kriegsdienstverweigerer für seine Prinzipientreue auch ins Gefängnis. Die moralische Integrität teilte er mit seinem Landsmann und Freund Colin Davis, der in seiner seit fast 20 Jahre währenden Zusammenarbeit mit der Sächsischen Staatskapelle das verkörpert, was bekanntlich gerade in Dresden zum schwierigsten NS- und Kriegserbe gehörte: Versöhnung zwischen Deutschen und Engländern. Und so ist der Dresdner Mitschnitt von Tippetts 1944 uraufgeführten Oratorium "A Child of Our Time", das über Gewalt und Unterdrückung, aber auch Hoffnung sinniert, schon rein zeithistorisch und moralisch ein Dokument ersten Ranges. (Kompositionsanlass war die Nachricht vom jungen polnischen Juden Herschel Grünspan, der in Paris aus Rache und Verzweiflung über die Verfolgung seiner Familie einen NS-Diplomaten erschoss, was die Nazis wiederum zu einem – allerdings längst beschlossenen – Judenpogrom motivierte.) Aber auch künstlerisch ist die nun in der "Edition Staatskapelle Dresden" mit vorzüglicher Einführung (allerdings ohne Libretto) erschienene Aufnahme höchst bemerkenswert. Davis, als mehrfacher Uraufführungsdirigent bestens vertraut mit Tippetts traditionsverbundener, gleichwohl unverwechselbarer Tonsprache, weiß um die richtige Balance zwischen den kontemplativen und dramatischen Komponenten des Werks, das sich formal an Händels "Messiah" und Bachs Passionen anlehnt, aber auch moderne Elemente integriert. Gerade die fünf stilisierten Negro-Spirituals, in denen Tippett mit den deklassierten Schwarzen allen geschundenen Kreaturen des letzten, so gewaltexzessiven Jahrhunderts eine Sprache verleiht, können in dieser Dresdner Aufführung von 2003 (trotz Jerry Hadleys mitunter strapaziertem Tenor) ihre Wirkung entfalten. Und dem Humanismus zu einer bewegend-nachdenklichen Stunde verhelfen.

Christoph Braun, 08.03.2008


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