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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Das gemeine deutsche Kind pflegt Engelbert Humperdincks "Hänsel und Gretel" in der Vorweihnachtszeit als sogenanntes "Weihnachtsmärchen" gemeinsam mit Omas, Opas oder Tanten kennenzulernen. Da mag es sich womöglich an bunten Bühnen-Farben, an Hexe und Pfefferkuchenhaus oder auch am lustigen Namen des Komponisten freuen und sich nebenbei ein bisschen darüber wundern, dass das kurze Märchen hier fast zwei Stunden lang dauert und dass Hänsel und Gretel von irgendwelchen kindisch sich gebärdenden dicklich-tremolierenden Sängerinnen dargestellt werden.
Wie schön - sprich: wie fein und gut gearbeitet - Humperdincks Partitur neben ihren zahlreichen im Volkston gehaltenen Kinderlied-Bearbeitungen und neben den nach-wagnerianischen Gesten des üppig dimensionierten Orchesters ist, wird in der Regel erst Erwachsenen bewusst. Und wenn eine Star-Besetzung wie hier unter Jeffrey Tate die beiden Titelrollen mit persönlicher Strahlkraft ausstattet, dann muss man "Hänsel und Gretel" einfach als wahres Meisterwerk des Musiktheaters schätzen - und ins Herz schließen.
Dabei wirken Anne-Sofie von Otter und Barbara Bonney, obwohl sie der Komponist ja weidlich mit kindlichem Liedgut betraut ("Brüderchen, komm tanz mit mir", "Suse, liebe Suse", "Abends, will ich schlafen gehn", "Ein Männlein steht im Walde"), nirgends betulich - im Gegenteil: Sehr ernst gehen beide Sängerinnen an ihre Rollen heran - und machen durch gestalterische Feinheit und stimmliche Frische wett, was sie den Bühnenfiguren an Lebensjahren voraus haben. Dass die Hexe hier nicht, wie sonst oft üblich, mit einem munter sprechschauspielernden Mann, sondern als Gesangsrolle mit der ausdrucksstarken Marjana Lipovšek besetzt wird, verleiht der Aufnahme ebenso einen zusätzliche Reiz wie die Tatsache, dass hier selbst für die kleinen Rollen von Sandmann und Taumann mit Barbara Hendricks und Eva Lind erstklassige Sängerinnen aufgeboten werden. Der Dirigent Jeffrey Tate beweist, dass ihm die differenzierte Orchesterbehandlung des ehemaligen Wagner-Assistenten Humperdinck wirklich am Herzen liegt. Dass diese Einspielung wahre Hingabe ihrer Interpreten atmet, ist nicht zuletzt auch sein Verdienst.

Susanne Benda, 01.09.2007


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