DG 447 420-2
(1959) Komponiert: 1900/01
Nur eine Handvoll Meinungen über Rachmaninow: "Ich schätze diesen Mann sehr, er hat grandiose Filmmusik geschrieben", sprach Strawinsky; George Bernard Shaw ernannte ihn zum "Vulgär-Töner", und Richard Strauss hörte bei ihm immer nur "gefühlvolle Jauche" (ausgerechnet Richard Strauss!). Auch kleinere Geister, die sich für avanciert halten, lehnen diesen Komponisten ab - Kitsch sei das, keine Kunst. Und den Hochmut schürte gerade dieses Konzert, sein populärstes, das zusammen mit dem cis-Moll-Prélude sozusagen sein Entrée für Amerika abgab. Zig läppische Crossover-Arrangements trugen dann dazu bei, dass einem die Musik "doch längst zu den Ohren rauskommt". Bei Mantovani oder André Kostelanetz sicher. Aber mitnichten bei Swjatoslaw Richter.
Es gibt viele schöne, ernsthafte Aufnahmen dieses Konzerts, ich hätte gut zwei oder drei weitere nennen können. Aber für Kenner und Pianisten gibt es nur eine: diese. Sie wurde 1959 in Warschau aufgenommen, Richter durfte damals im Westen noch gar nicht spielen; klangtechnisch geriet sie mehr als achtbar (immerhin: frühes Stereo, für die CD aber noch sacht verfeinert), interpretatorisch zur Sternstunde.
Wie Richter dieses melancholisch abgedunkelte, elegisch fließende Werk zum Leben erweckt, mit Kraft und mit Gelassenheit, gibt ihm seine Würde zurück: die eines wahrhaft großen romantischen Klavierkonzerts. Und die Warschauer Philharmoniker unter Wislocki wussten offenbar sehr genau, was da am Entstehen war, sie fungieren nicht als Passepartout, sondern treten auf als Dialogpartner.
Die "Zugabe" auf dieser CD, Tschaikowskys b-Moll-Konzert, hat nicht mehr diese Kraft, sie ist sehr schön, sehr nuanciert, ist der Versuch - wohl auf Drängen des Dirigenten, Herbert von Karajan -, aus Tschaikowsky Robert Schumann zu machen, und das geht nicht. Aber im Grunde ist die Kopplung egal; nach dem Rachmaninow-Konzert könnten auch tumbe Karnevalsschlager kommen, die man dann einfach wegprogrammiert.
Stefan Heßbrüggen, 01.09.2007
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