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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Ein bisschen mehr Einfallsreichtum hätte man bei EMI im Jahr des 80sten Geburtstag von Nicolai Gedda schon aufbringen können, der mit nach wie vor über hundert Titel im EMI-Katalog, die seinen Namen tragen, nicht nur künstlerisch, sondern sicher auch wirtschaftlich einer der ganz großen Glücksgriffe für das Label war: Das vorliegende Arienrezital ist nichts weiter als die eins zu eins übernommene zweite CD einer 2001 erschienenen Doppelbox mit Liedern und Arien; aus derselben Box stammt wortgetreu auch der sehr knappe Beiheft-Text. So ging der runde Geburtstag am 11. Juli leider ohne angemessene Hommage seitens der Plattenfirma vorüber.
Kein Grund freilich, sich nicht dennoch an dieser Arien-Anthologie des polyglotten, stilistisch fast überall sicher verankerten und stimmlich konstant hochkarätigen Tenors zu freuen. Mit dem Eröffnungsstück allerdings, der berühmten Arie "Mes amis, écoutez" aus Adams "Le Postillon de Lonjumeau" präsentiert man ihn nicht von seiner besten Seite: Zwar gelingt ihm das hohe D in der dritten Strophe Liedchens fabelhaft, aber zuvor hat er in den Refrains mit der oberen Übergangslage etwas Mühe – sehr selten nur ist ihm so etwas passiert, aber auch ein Gedda hatte mal einen weniger guten Tag. An die äußersten Grenzen dessen, was für ihn stimmlich erreichbar ist, ging Gedda mit seiner Aufnahme von "Se quel guerriero io fossi", der Antrittsarie des Radamès aus Verdis "Aida": Zwar beschert er dem Hörer endlich einmal ein nicht herausgeschrienes, sondern dynamisch zurückhaltendes finales hohes B, wie es die Partitur vorsieht, aber insgesamt fällt doch auf, dass sein Material eher eine Gewichtsklasse unter der hier geforderten anzusiedeln ist.
Ganz in seinem Element erleben wir Gedda hingegen u. a. mit "Che gelida manina" aus Puccinis "La Bohème" oder mit "Pourquoi me reveiller" aus Massenets "Werther": Hier kann der die ihm zur Verfügung stehende Palette an Farben und Ausdrucksmöglichkeiten optimal zum Einsatz bringen: Welcher Sänger sonst hätte die Kantilenen dieser Arien so vollendet mit Leben erfüllt! Man erinnert sich an frühe, noch nicht von umfassender Erfahrung getragene LP-Kauf-Entscheidungen, bei denen klar war: Wenn Gedda draufsteht, dann ist es todsicher immer eine gute Wahl. Höchst faszinierend auch der Ausflug ins russische Repertoire: Lenskis "Kuda, Kuda" (Eugen Onegin) wird flankiert von Arien aus "Fürst Igor" (Borodin) und "Sadko" (Rimskij-Korsakow) einerseits und dem mit Geddas Gesang untrennbar verbundenen "Lied des jungen Zigeuners" aus Rachmaninows "Aleko". Fazit: Wer soviel Hervorragendes produziert hat, der kann auch durch ein eher uninspiriertes Geburtstagspräsent nicht blamiert werden. Herzlichen Glückwunsch!

Michael Wersin, 01.09.2007


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