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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Aaron Jay Kernis

Cellokonzert "Colored Field", Musica Celestis, Air

Truls Mørk, Minnesota Orchestra, Eiji Oue

Virgin/EMI 7243 45464 2 6
(65 Min., 4/2000) 1 CD

Der weithin unbekannte Aaron Jay Kernis, ein Schüler von John Adams, komponiert, was Amerikaner gern „erreichbare Moderne“ nennen. Wobei „erreichbar“ meist „wiedererkennbar“ meint, also das Ohr nicht zu verschrecken mit dem Ungehörten, Unerhörten. So entstand die primär amerikanische Kompositionsform, der Eklektizismus – man könnte auch sagen: das mehr oder minder raffinierte Recycling von bereits Dagewesenem.
Natürlich gibt es Unterschiede: Copland war mal Neuerer, mal Eklektiker; Bernstein vielleicht der gewiefteste „Elektriker“ (so ein beliebter Druckfehler aus der Steinzeit des Bleisatzes); und Charles Ives brach das Vorgefundene teils so brutal auf, dass er in keines der Schemata passt.
Nun, Aaron Jay Kernis ist ein Eklektiker, der in einer „Musica Celestis“ mühelos das Mittelalter der Hildegard von Bingen kurzschließt mit der US-Neoklassik Samuel Barbers. Bezeichnenderweise ist jedes der drei Werke auf dieser CD eine Eigenbearbeitung, also Zweitverwertung – „Colored Field“ ursprünglich für Englischhorn und Orchester, „Musica Celestis“ ein Streichquartett, „Air“ eigentlich für die Geige (Joshua Bell gewidmet).
Und jetzt wird aus all dem ein Schaufenster für die beträchtlichen Künste des norwegischen Cellisten Truls Mørk, dessen Spiel nur immer auch etwas distanziert wirkt, quasi „über der Sache stehend“ (was bei Kernis allerdings zu verstehen ist). Mit großer Eleganz surft er durch diese Filmmusik-nahen – also durchaus bildhaften – Klänge, ohne dass er oder diese je eine lesbare Spur hinterließen. Wenn Kernis sich dazu aufrafft, der nur dem Schönklang verpflichteten Elegie zu entsagen, und mit „Pandora Dance“ ein sinistres Scherzo schreibt, das „Flüchtige Vision“ und „Diabolische Einflüsterung“ zugleich sein will, also in etwa: Prokofjew – dann kommt eben nur ein schwacher Bernstein dabei raus. Ein „luzider Eklektiker“ oder, in der Sprache der Bleisetzer von dunnemals, „lustiger Elektriker“.

Thomas Rübenacker, 01.09.2007


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