Decca/Universal 475 6939
(62 Min., 3/2005) 1 CD
Antonio Salieri soll 1807 Mozarts Sohnemann Franz Xaver Wolfgang eine Karriere auf dem Niveau seines Vaters vorausgesagt haben. Doch trotz eifriger Kompositionsstunden bei Abbé Vogler und Johann Georg Albrechtsberger - der Xaver schaffte es zu Lebzeiten gerade mal zu einer ordentlichen Laufbahn als Pianist. Mit seinem Tod 1844 im Alter von 53 Jahren verschwand er aus dem öffentlichen Bewusstsein - bis heute. Umso überraschter war dann selbst Barbara Bonney, als sie im Zuge des Mozart-Jahres mal ein etwas anderes Mozart-Projekt plante und auf den für sie vollkommen unbekannten Spross stieß. Mit den von ihr jetzt eingespielten 27 Liedern ist Bonney immerhin eine musikhistorische Pioniertat gelungen. Interpretatorisch bleibt sie dagegen jedoch weit unter ihren gewohnten Möglichkeiten.
Von den "Sechs Liedern" des 18-jährigen Franz Xaver Wolfgang bis zu einer "Erinnerung" von 1829 reicht der Bogen dieser bis auf "Le Baiser" deutschsprachigen Stücke, in denen vorrangig noch die Unbekümmertheit und Naivität des 18. Jahrhunderts steckt. Und ausgerechnet dieses seelenvolle Chanson ist es, das Bonney zu einem und leider einzigen, makellosen Hörglück gestaltet. Mit fast apollinisch anmutendem Ton verschmelzen hier Sentiment und Farben, interpretiert Bonney mit ihrer (akzentfreien) Deklamation wunderbar aus dem Sprachklang heraus. Eine ganz andere Bonney erlebt man bei den übrigen 26 Liedern. Von dem fließenden Legato, das man von ihr als Liedsängerin kennt, und von der in den Einspielungen u. a. von Schumann und Strauss auffallenden Textverständlichkeit ist nichts mehr geblieben. Im Gegenteil. In der Höhe neigt sie zu unschönen Verengungen, stören Vibrati den natürlichen Fluss und damit den Eigenwert eines jeden Liedes. Angesichts dieser Wiederentdeckungen hätte man sich zudem vom Booklet mehr erwarten dürfen als einen rein biographischen Abriss von Wolfgang II.
Reinhard Lemelle, 16.06.2006
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