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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Leo Ornstein

Klaviersonaten Nrn. 4 und 7, Wild Men's Dance, Suicide In An Airplane u. a.

Janice Weber (Klavier)

Naxos 8.559104
(67 Min., 6/2001) 1 CD

Er ist ein Fall fürs Guinness-Buch der Rekorde: Wohl kaum ein Komponist war so lang schöpferisch tätig und erreichte ein biblisches Alter wie Leo Ornstein. Anfang 2002 starb er im Alter von - wahrscheinlich - 109 Jahren. Ganz sicher ist dies nicht, denn sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt. Seine größten Erfolge erntete Ornstein, der mit seinen Eltern 1907 aus der Ukraine nach Amerika emigrierte, in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg - in erster Linie als Pianist, der damals moderne Musik in seine Programme aufnahm, aber auch als Komponist von futuristisch angehauchten Klavierstücken, in denen er die Rolle des zornigen jungen Mannes verkörperte. Die auf dieser CD eingespielten Stücke "Wild Men's Dance" und "Suicide In An Airplane" entstammen dieser Phase - sie entstanden 1913 - und sind außerdem Ornsteins heute noch bekannteste Kompositionen.
Mitte der zwanziger Jahre beendete Ornstein seine Karriere und zog sich zurück, um fortan nur noch zu unterrichten und zu komponieren. Als er seine siebte Klaviersonate schrieb, das jüngste von Janice Weber auf dieser Einspielung vorgestellte Werk, war er fünfundneunzig Jahre alt.
Der Beihefttext bemerkt nicht zu Unrecht, Ornstein sei als Komponist sein Leben lang auf "konsequente Weise inkonsequent" gewesen. Tatsächlich lässt sich so etwas wie eine folgerichtige Entwicklung in seinem Schaffen nicht ausmachen, und wenn er auch die Exzesse der frühen Jahre in seinen Kompositionen ab Mitte der zwanziger Jahre mied, so stehen doch bis hin zu den Alterswerken die Extreme nebeneinander. Ornsteins Musik kann innerhalb eines Werks - etwa der Sonate Nr. 7 - wild und ungestüm sowie romantisch und verträumt klingen. Eigen ist zumindest den hier versammelten Stücken eine Tendenz zur Skizzenhaftigkeit. Der Beihefttext verrät, dass Ornstein letztlich nur Interesse an der Grundgestalt einer Komposition hatte und sich für die minuziöse Ausarbeitung von Einzelheiten nicht interessierte; sogar die Notation überließ er seiner Frau.
Das verwundert nicht weiter, wenn man die Stücke hört. Die meisten von ihnen klingen, als wenn ein begabter Improvisator am Klavier sitzt, seiner Inspiration und seiner Laune freien Lauf lässt, seine Aggressionen mit wilden Dissonanzen abreagiert ("Wild Men's Dance"), um gleich darauf in einer kalorienarmen Mélange aus Ravel und Rachmaninow Erinnerungen an die letzte Landpartie zu frönen ("A Morning In The Woods"). Und von den Sonaten erwarte man bitte nicht ansatzweise die dem Genre angemessene thematische Gedankenarbeit. Nein, "große Musik" ist das nicht. Aber sie vermag schon sympathisch zu berühren, nicht zuletzt aufgrund der kindlichen Unbefangenheit, die sich Ornstein bis ans Ende seiner Laufbahn bewahrte.

Thomas Schulz, 01.09.2007


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