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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Henry Purcell, George Crumb

Songs, Apparition

Christine Schäfer, Eric Schneider

Onyx/Codaex 4021
(71 Min., 8/2004) 1 CD

In ihrem schneeweißen Hochzeitskleid ist Christine Schäfer in einer unwirklichen Welt gelandet. Direkt neben großen Tierskelettkörpern. Wer aber das Booklet von Schäfers neuer CD umdreht, will nicht glauben, dass es sich hierbei nicht um ein menschliches Knochengerüst handeln soll. So anmutig hat dieses Wesen seinen archaisch-breiten Schädel gen Himmel gelegt – während die beiden Pfotenhände um Gnade zu flehen scheinen. Aufgenommen wurden diese seltsamen Momentaufnahmen im Pariser Naturkundemuseum. Dort, wo der ewige, seit Jahrtausenden anhaltende Kreislauf anschaulich gemacht wird. Von dem die gesamte Menschheitsgeschichte begleitenden Unbehagen, dass es irgendwann vielleicht doch mal endgültig aus ist, erzählt natürlich von jeher und ausführlich auch die Musikgeschichte. Den Lebensmut und -willen sollte man aber noch lange nicht aufgeben. Nach dem um Liebe und Tod kreisenden Album, das Schäfer mit ihrem Klavierpartner Eric Schneider eingespielt hat. Zumal man dann zukünftig nicht miterleben könnte, wie Deutschlands Sopran Nr. 1 garantiert weiterhin für solche erstaunlich neuen Blick- und Hörwinkel sorgen wird.
Nach ihrer großartig entschlackten und hyperfeinnervigen "Winterreise"-Einspielung hat Schäfer nun also einen Liederreigen inszeniert, der sich um nichts anderes dreht als um die klassischen Themen wie Liebe, Eifersucht und schließlich den letzten Atemzug. Und genau diesen Weg schreitet Schäfer Etappe für Etappe ab. Mal mit Songs des englischen Barockmeisters Henry Purcell, der wie unter einem Brennglas jeden euphorischen Herzschlag verführerisch und jede Leidensmiene deklamatorisch ernst zu offenbaren verstand. Dazwischen werden delikate, neo-expressionistische Lieder sowie acht prismatisch-zerbrechliche Elegien von George Crumb gestellt, die 1979 unter dem Titel "Apparition" erstaufgeführt wurden. Im Vergleich aber beispielsweise zu einer Dawn Upshaw, die bei ähnlich angelegten, die Zeit- und Stilzonen überspringenden Programmen doch nur die göttliche und reine Seelenlehre im Hinterkopf hatte, ist Schäfer dagegen schonungslos. Selbst um Purcells Liebeshymne "An Epithalamium" legt sie einen leichten Trauerflor, hängt zunächst selbst eine kleine, dunkle Wolke über "Sweeter Than Roses". Wenn sie dann aber mit dem bewundernswert mitgestaltenden Eric Schneider ihre bewegliche und klar fokussierte Stimme springen und hüpfen lässt, hat das Leben wieder einen Sinn. Einziger Wermutstropfen bei dieser Produktion sind die von einem Kind gesprochenen Shakespearezitate. Schließlich hat man schon so den roten dramaturgischen Faden vom Werden und Vergehen verstanden.

Guido Fischer, 05.01.2008


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