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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms

Klavierkonzert Nr. 4, Sinfonie Nr. 2

Wilhelm Backhaus, Wiener Philharmoniker, Karl Böhm

Euroarts 2072058
(73 Min., 4/1967, 9/1970) 1 CD, DVD

Seltsam: Würde man den versammelten Herren in etwas weniger festlicher Kleidung und in einem Sparkassenfoyer oder im örtlichen Bauernverband begegnen, sie hätten weit mehr Glaubwürdigkeit – rein nach Koteletten und Brillengestellen geurteilt. Auch Karl Böhm, der hier über die Wiener Philharmoniker gebietet, scheint eher ein verwaltender denn ein passionierter Dirigent zu sein – immer rein optisch betrachtet, versteht sich. Es ist kurios anzusehen, wie die Biederkeit des Äußeren im Kontrast zum hier verfertigten akustischen Ereignis steht. Man fragt sich deshalb auch, ob man als Musiker, als Künstler nicht manchmal, ganz wie Thomas Mann, Halt im Äußerlichen sucht, mit gestärkten Hemden und gescheiteltem Haar die innere Unordnung verbergend. Wieso überhaupt macht sich der Rezensent über diese ganzen Äußerlichkeiten so viele Gedanken, statt den künstlerischen Wert der Darbietung in den Vordergrund zu stellen? Ganz einfach, weil es der Betrachter der DVD höchstwahrscheinlich genauso machen wird. Das Bild ist nicht die Dreingabe, diese ist der Ton. Leider. Denn nicht wie im Konzertsaal lädt eine im glücklichen Falle konzentrierte Stimmung dazu ein, die Augen zu schließen, sondern Schnitte, Nahaufnahmen und stets neue Perspektiven entwickeln eine Art Eigenleben und fesseln die Aufmerksamkeit. Das ist kein Manko dieser DVD im Besonderen, sondern von Videos klassischer Musik im Allgemeinen. Natürlich: Auch den Bildern ist Interessantes zu entnehmen, das unmittelbar mit der Musik, oder besser der Art, wie sie hervorgebracht wird, zu tun hat. Der rasche Blick des ersten Geigers zum Dirigenten, die unwillkürlichen Gesten der Solisten, ein plötzliches Aufleben in den sonst lapidaren Bewegungen und der Mimik des Dirigenten – das sind Dinge, die der Konzertbesucher kaum zu sehen bekommt und die für sich ihre Wirkung auf den Zuschauer haben. Fast erübrigt sich angesichts der großen Namen zu erwähnen, dass die Interpretation von großer und strenger Schönheit ist, live aufgenommen im Großen Saal des Musikvereins für Brahms’ 2. Sinfonie und als Studioproduktion im Falle von Beethovens Klavierkonzert Nr. 4. Der Fernsehton allerdings vermag aus dem Musikverein nur ein holzschnittartiges Klangbild zu liefern und ist im Studio mit etwas viel Hall versehen worden. Der Höhepunkt ist aber der 83-jährige Wilhelm Backhaus, musikalisch weise, technisch immer noch brillant und unendlich empfindsam. Schon wegen seiner eigenen Kadenz zu diesem Konzert ist diese Aufnahme hörenswert.

Matthias Reisner, 01.09.2007


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