Capriccio/Delta Music 67 019q
(58 Min., 1/2002) 1 CD
Eine Passion des achtzigjährigen ”Vaters der deutschen Musik”? Wer würde da nicht ein opulent-gewichtiges Spätwerk erwarten! Doch was Heinrich Schütz dem Dresdener Hof am Ende seines Lebens an Musik für die Karwoche lieferte, kommt auf den ersten Blick höchst asketisch daher: Angelehnt an den mittelalterlichen Lektionston und ohne jegliche Instrumentalbegleitung, tragen Evangelist sowie Interlocutores die Leidensgeschichte vor, unterbrochen nur von den kurzen mehrstimmigen ”Turbae” der Volksmassen und Jünger. Doch Schütz wäre nicht Schütz, hätte er diesem äußerst schlichten Vortrag nicht mit subtilen musikalisch-rhetorischen Kniffen größtmögliche Eindringlichkeit verliehen.
Den insgesamt feinsinnig belebt und deutlich deklamierenden Solisten gelingt es allerdings noch nicht ganz, Schütz‘ höchst eigenem Sprechgesang gerecht zu werden. Was fehlt, ist der bekennerhafte Gestus: jener gewisser Grad von Exaltiertheit, dem jeder kultische Singsang seine finale Wirkungskraft verdankt. Sauber, aber ein wenig routiniert gestaltet sind auch die ausgewählten fünf kleinen Geistlichen Konzerte sowie die früher entstandene, instrumental reicher ausgestattete Passionsmusik ”Die sieben Worte Jesu am Kreuz” geraten. Von den Solisten stechen der Tenor Hans Georg Mammel (allein durch die Mitarbeit bei ”Cantus Cölln” ausgewiesener Experte für deutschen Frühbarock) sowie der wunderbar ausgeglichene Bassist Ekkehard Abele hervor. Auch Veronika Winter wirkt mit ihrem knabenhaften Sopran angenehm authentisch, wobei die Deutlichkeit ihrer Vokale in der Höhe noch nicht ganz an die Präzision ihrer Konsonanten heranreicht.
Carsten Niemann, 10.05.2003
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