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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Johann Rosenmüller

Weihnachtshistorie

Cantus Cölln, Concerto Palatino, Konrad Junghänel

harmonia mundi HMC 901 861
(77 Min., 6/2004) 1 CD

1655 musste Johann Rosenmüller fluchtartig seine sächsische Heimat verlassen, als ihm der Prozess wegen Päderastie gemacht werden sollte. Und fast erwartungsgemäß floh er nach Venedig, wo er als Giovanni Rosenmiller kontrapunktische Satztechnik und venezianische Farbenpracht endgültig in vollen Zügen genießen, aufsaugen und kompositorisch verwerten konnte. Doch die Italienisierung Rosenmüllers fand bereits über ein Jahrzehnt zuvor statt. Nachdem er von seinen Reisen über die Alpen solche aktuellen Trends wie die Mehrchörigkeit und den konzertanten Rezitativstil mitgebracht hatte. Und wie viel Giovanni schon 1645 in Johann steckte, macht jetzt Konrad Junghänel mit seinem Cantus Cölln anhand von acht geistlichen Konzerten Rosenmüllers sinnfällig, mit denen er bis 1655 die kirchlichen Weihnachtsfeierlichkeiten ausstattete und die 1999 im Musikarchiv der Berliner Sing-Akademie aufgefunden worden sind.
Die vorrangig auf dem Lukas-Evangelium basierenden Vertonungen sind in ihrer Kombinatorik aus mehrstimmiger Madrigal-Kunst und Bläser-Sinfonia, aus prachtvoller Plastizität und verklärender Innigkeit von Claudio Monteverdis Pionierleistungen mehr als nur imprägniert. Doch wie schon der italophile Heinrich Schütz zwei Jahrzehnte zuvor, balanciert Rosenmüller den italienischen Geist mit seinem ganz eigenen protestantischen Empfinden aus. Allein in dem über 20-minütigen "Entsetze dich, Natur" ist das ständige Wechselspiel aus auflockernden Ritornellen und der schlichten Ernsthaftigkeit ein Paradebeispiel für Rosenmüllers weitsichtigen Umgang mit der Tradition. Und diese Schnittstellen leuchtet Junghänel nun mit seinen versierten Mitstreitern einmal mehr ohne barock-rhetorische Verkniffenheit aus. Dafür erlebt man - wie schon bei Junghänels Einspielung von Rosenmüllers "Vespro della Beata Vergine" - eine bis in die Einzelstimmen detailfeine Organisation und den nötigen espressiven Impetus. Diese feierliche-festlichen und leidenschaftlich bewegenden Klang-Reden sind daher mehr als nur eine Entdeckung. Sie sind zugleich eine weitere Rehabilitation von Johann Rosenmüller.

Guido Fischer, 01.09.2007


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