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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Contemporary Jazz

Branford Marsalis

Columbia/Sony CK 63 850
(73 Min., 12/1999) 1 CD

Was für ein Saxofonist und Bandleader! "Contemporary Jazz" spiele er, steht frech auf dem Cover - und damit schickt Branford Marsalis die oberflächlichen Betrachter in die Irre. Denn "adult contemporary" steht im amerikanischen Musikgeschäft für Fahrstuhl-Fusion zum Weg- und Überhören. Genau dies bietet der mit allen Wassern gewaschene älteste Sproß der Marsalis-Familie nicht. Mit Joey Calderazzo am Klavier setzt Branford Marsalis fort, was er mit Kenny Kirkland begann: den Jazz aus den strengen Banden des Viervierteltakts zu lösen und die verrücktesten Taktarten wie selbstverständlich klingen zu lassen.
Im Titelstück folgen auf zwei Takte mit vier Zählzeiten jeweils einer mit sechs, drei, vier und sechs, bevor drei Vierer wiederkehren. Das auszuzählen ist fast unmöglich. Unnötig ist es obendrein, denn die Musik des Quartetts packt den Hörer auch ohne intellektuelle Analyse. Mit großartigem, scharf zentriertem Ton bläst Branford Marsalis hier sein Tenorsaxofon: ein Meister der Klarheit. Witzig dagegen, wie er in "Cheek To Cheek" passagenweise auf den ersten, starken Ton einen weichen, dünneren Echo-Effekt folgen lässt. Kaum hat man sich an diese verrückte Spielerei gewöhnt, löst er sich davon und improvisiert mit unglaublich rasanten Kürzeln weiter.
Eric Revis am Bass, Jeff "Tain" Watts am Schlagzeug und Joey Calderazzo ziehen hier und in den übrigen sechs Stücken ähnlich raffiniert und groovend mit. Wie wohlgeformt und rund Branford Marsalis’ Ton sein kann, lässt die zerrissen melancholische Ballade "Ayanna" fühlen. Eine gewaltige Portion Gospel und Blues steckt in "Countronious Rex", und die Powernummer "Train Mutiny" rast mit Wucht dahin. Anklänge an John Coltranes ekstatische Phase und kühle Disziplin halten sich hier die Waage. Branford Marsalis verkörpert einen völlig anderen Musikertyp als der bis zur Selbstaufgabe um die Töne kämpfende Gigant Coltrane. Für Marsalis ist all dies Geschichte und Steinbruch für postmoderne, mit kühler Ratio und dem Spaß an der Überraschung geformte Klangexkursionen. Sensationell, was dabei herauskam.

Werner Stiefele, 01.09.2007


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