Bei meiner ersten Begegnung mit Monks Musik wurde mir erst einmal übel von all den schmerzenden Sekunden, Nonen und verminderten Quinten. Aber nach wenigen Tagen erlag ich ihrem skurrilen Zauber. Denselben Reiz wie das Original üben Cover-Versionen nur selten aus - dem ehemaligen Kenton-Arrangeur Bill Holman gelingt jedoch das schier Unmögliche, Monk und gleichzeitig sich selbst treu zu bleiben.
Indem er seine zehn flüssig swingenden Big-Band-Versionen von Monk-Titeln ausgerechnet “Brilliant Corners” tauft, beweist er Mut: An jenem haarigen Stück biss sich 1956 der eigentlich mit der Materie vertraute Sonny Rollins derart die Zähne aus, dass die veröffentlichte Fassung ein Flickwerk aus mehreren gescheiterten Ansätzen darstellte. Holman verschiebt den Schwierigkeitsgrad des Stücks durch seine komplexe Arrangierkunst in Richtung Ivesscher Collagentechnik.
Monk-Zeitgenossen wie Miles Davis kamen seinerzeit allenfalls mit dessen aus Teenagerzeiten stammender Ballade “Round Midnight” zurecht - Holman lässt sie taufrisch klingen, indem er mehrere Pedaltöne aufeinanderschichtet, bis sich der (paradoxe) akustische Eindruck eines Sonnenaufgangs einstellt; die Nachtwirkung erzielt dann erst die Bassklarinette als melodieführende Stimme. Ähnlich gute Einfälle aller Beteiligten durchziehen diese wohlvorbereitete Hommage wie ein roter Faden - ein dezenter Wink mit dem Zaunpfahl, sich mit Holmans eigener, sträflich vernachlässigter Musik auseinanderzusetzen.
Mátyás Kiss, 30.04.1997
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