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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Jean Sibelius

Sinfonien Nr. 2 und 4

City of Birmingham Symphony Orchestra, Sakari Oramo

Erato/Warner Classics 8573-85776-2
(80 Min., 5/2000, 6/2000) 1 CD

Nachfolger haben’s schwer – es sei denn, sie sind deutlich besser als der Vorgänger. Das allerdings wäre für Sakari Oramo, den Nachfolger von Simon Rattle, nahezu unmöglich. Auch ist Birmingham mittlerweile, dank Rattle, ein Spitzenensemble, als Verdacht dräut also: „gemachtes Bett“.
Aber Sakari Oramo, der Neue, schert sich weder um Rattles Ruf noch um den Bett-Verdacht: Nüchtern verrichtet er seine Arbeit, mit großer Präzision, kühler Klangmagie und gezügelt-expressiver Sprachgewalt inszeniert er zwei Sinfonien seines finnischen Landsmanns Sibelius, die weithin populäre zweite – und die spröde, enigmatische Nr. 4. Ein Vergleich bietet sich gar nicht erst an. Jedenfalls nicht zwischen den beiden Dirigenten.
Aber, in dieser Aufnahme, zwischen den beiden Werken schon. Die Zweite ist lebensbejahend, so sonnig wie überhaupt irgendwas im Werk des Finnen – Sibelius hatte sich, rücksichtslos gegenüber Weib und Kind, nach Italien abgesetzt. Vor der Vierten war’s mal die Familie, die nun ihrerseits keine Rücksicht walten ließ gegenüber dem Papa (und als solche zu zerfallen drohte) – das Resultat ist zerrissen, selbstzweiflerisch, bang in eine ungewisse Zukunft blickend. Oramos gezügelter Stil nähert beide so verschiedenen Sinfonien einander an: Die eine wird sozusagen von der jeweils anderen mitdefiniert, der Blick auf Sibelius’ Sinfonik ein zutreffend epischer. Ein analytischer bleibt er.
Das entwickelt sich nicht nur schlüssig – als Großform – aus der Mikrostruktur einzelner „Zellen“, wächst quasi „vegetativ“ aus dem Zellmaterial; es wird auch fabelhaft unter Spannung gehalten an den Nahtstellen, den möglichen Brüchen – ist also ein staunenswertes Konstrukt, das niemals konstruiert wirkt.
Soll man in diesem Fall mehr Leidenschaftlichkeit einklagen? Sicher nicht. Bei Sibelius schuf falsche Leidenschaft allzu oft Leid: Pathetisch-dick und pastos-hohl wurd’s dann im Handumdrehen. Romantik kann, entgegen einer oft zitierten Maxime, eben doch diffiziler sein als eine Haydn-Sinfonie.

Thomas Rübenacker, 01.09.2007


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