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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Frauen könnten sich höchstens in die Brüste werfen. Männer hingegen haben offenbar nur die eine, breite, männliche Brust, um sich in sie zu werfen. Wie das aussieht, weiß zumindest der erfahrene Operngänger. Und wie das klingt, kann man hier bei Ramón Vargas hören.
Tatsächlich: So kernig, so maskulin, so stolz und so betörend klingt das wohl, wenn ein Tenor den Helden heraushängen lässt. Und Vargas kann das: Seine Stimme hat große Tragkraft selbst dort, wo nicht alles glänzt, was hoch liegt; sie ist geschmeidig und auch in tieferer Lage noch schön und voll. Schade, dass das Libretto von Donizettis 1840 in Paris uraufgeführter Oper dafür sorgt, dass dem Helden seine sängerischen Qualitäten so gar nichts nützen. Nachdem Vargas sich als angehender Mönch ausgerechnet in die Kurtisane des Königs verliebt hat, nimmt der unaufhaltsame Niedergang seinen Anfang; als am Ende die Geliebte stirbt, wirft sich Fernand (so heißt der Arme) in die Brust und kündigt seinen eigenen Freitod an. Diesen gleich zu vollziehen, wäre theatralischer gewesen – aber lange nicht so schön zu singen.
In der "Favoritin" ist wirklich alles drin, was eine (italienische) Oper braucht: Liebe, Kloster, Betrug, zwei Männer und eine Frau, ein König, Krieg, Tod, Gebet und Reue. Donizetti hat dazu wundervolle Melodien gefunden, die sogar aus dem Munde des eher behäbig wirkenden Anthony Michaels-Moore noch ergreifend klingen und die Vesselina Kasarova auf den Leib geschrieben zu sein scheinen. Tatsächlich habe ich die bulgarische Mezzosopranistin noch nirgends so überzeugend gefunden wie hier als Léonor: Hingebungsvoll singt sie zwar immer, aber diese Partie mit ihren erreichbaren Höhen und ihren zahlreichen tiefer liegenden Passagen trifft exakt den Ambitus der Sängerin. Eine glänzende, überragende Darstellung!
Marcello Viotti fordert als Dirigent dem Münchner Rundfunkorchester viel Genauigkeit ab; dass ihm nicht immer der pure Klangzauber gelingen mag, sieht man ihm schon insofern nach, als das Orchester hier dynamisch weiter im Hintergrund agiert als bei vielen anderen Opern-Aufnahmen. Das freilich tut der Wirkung des Stücks keinen Abbruch. Im Gegenteil: Fast möchte man meinen, dass die Oper, so fein und so präzise wie sie hier erklingt, trotz ihrer vernehmbaren italienischen Ingredienzien vor allem französische Oper ist. Donizetti hätte das gefreut.

Susanne Benda, 01.09.2007


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