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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Johann Sebastian Bach

Sechs Cello-Suiten

Wen-Sinn Yang

Arthaus/Naxos 101419
(175 Min.) 4 DVDs, 2 DVDs, 2 CDs

Gottlob gibt es noch Platten-Produzenten, die nicht einfach eine bespielte Plastikscheibe zwischen zwei Pappkartons legen, sondern ihre Produkte auch visuell ansprechend mit geschmackvollem booklet präsentieren. Die Arthaus-DVD-Macher gehören zweifellos dazu. Ihre im Verbund mit Ruth Käch vom BR verwirklichte Idee, Bachs Cello-Suiten in der Wallfahrtskirche St. Servatius, einer kleinen und höchst idyllisch gelegenen Chiemgauer Berg- und ehemaligen Burgkapelle aus dem 12. Jahrhundert, zum Klingen zu bringen, dürfte auch Puristen milde stimmen, die visuelle "Begleitung" von Musik prinzipiell ablehnen. Denn hier wird der akustische Eindruck keineswegs (wie sonst oft) vom visuellen überlagert oder gestört, vielmehr verschmilzt das ruhige Betrachten des ohne Allüren und übertriebene Gesten aufspielenden Cellisten wie auch das Ambiente des spätgotischen Kirchenraumes und seiner Heiligenfiguren und Fresken bald auf wohltuende Art mit dem Gehörten. (Wer dennoch nur hören möchte, für den liegen die Aufnahmen auch per CD bei.)
Zur glückvollen Korrespondenz von Musik und Bild gehört die Art, wie Wen-Sinn Yang dieses Bach'sche Opus Summum aller Cellisten vorträgt: sie kann im besten Sinne traditionsverbunden genannt werden. Der 1965 in Bern geborene Musiker taiwanesischer Abstammung, der bereits als 24-jähriger erster Solocellist des BR-Symphonieorchesters wurde, versteht diese Rückbesinnung allerdings nicht als romantisierendes, selbstverliebtes Schwelgen, sondern als Synthese von Ausdruckstiefe und Struktur.
Vergleicht man seine Bach-Exegese mit der vor kurzem erschienenen, Aufsehen erregenden Einspielung seines Alters-Kollegen Truls Mørk, so erscheint Yangs Ton voller und dunkler timbriert. Seine Phrasierungen sind - in der Zusammenschau - weiträumiger und legatohafter als die des Norwegers, seine Tempi in den flotten Sätzen ähnlich schnell, in den getragenen Nummern hingegen um einiges gedehnter. Gerade letzteres bringt das Eigentümliche von Yangs Bach-Sicht zum Vorschein, kostet der Schweizer doch - vor allem in den Sarabanden - die Arpeggien weit mehr aus als Mørk: während dieser die Grundtöne der Akkordauffächerungen nur als kurzes Sprungbrett benützt, grundiert Yang sein ganzes Spiel sozusagen auf der sonor mitschwingenden Basissaite. Ohne den "irdischen", schlank-federnden Bach zu ignorieren, so kann man hier doch mehr den tiefsinnigen, nach innen gerichteten Thomaskantor erleben, dem gerade ein reines (solistisches) Instrumentalschaffen auch eine aufwühlende Zwiesprache mit Gott ist - eine Sicht, der gegenüber Mørk durchaus traditionsgebunden scheint.
Doch vor zuviel mystisch-religiöser Innenschau bewahren den DVD-Konsumenten nicht nur Yangs lehrreiche, mit sympathischem Schweizer Dialekt vorgetragenen Einführungen; auch und gerade das mit manchem herzhaften Fluch aufwartende "Making Off" der Aufnahmesitzungen bringt einen auf die Erde zurück.

Christoph Braun, 01.09.2007


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