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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Seltsam: Drei Jahre nachdem Naxos eine restaurierte Fassung dieser New Yorker Götterdämmerung von 1936 herausgebracht hat, legt das Label nun eine weitere vor - "new restoration by Ward Marston". Wird man in Zukunft bei Neuerscheinungen nur noch von verschiedenen Restauratoren statt Interpreten, geschweige denn den Werken sprechen müssen!? Doch halt. So absurd sie an sich wäre, hier hat diese Veröffentlichungspolitik eine gewisse Berechtigung. Denn jene erste, von Richard Caniell nach einem Rundfunkmitschnitt erstellte Fassung leidet doch zu sehr an Rauschen, Kratzern und Gleichlaufproblemen, so dass von einem Musikgenuss kaum gesprochen werden kann. Ward Marstons neue Überarbeitung hat hier einen guten Schritt - vermutlich den bestmöglichen - nach vorn getan und die heftigsten, aber weiß Gott nicht alle Störungen beseitigt (leider auch die Kuriosität der ehemaligen Radio-Kommentare von Milton Cross), gleichwohl: einen technischen Ohrenschmaus hat Marston natürlich nicht schaffen können. Liegt also einfach nur ein historisches Schall-"Dokument" vor? Artur Bodanskys feinnerviges Dirigat und seine phänomenale Met-Sängerriege gebieten es vielmehr, von einer überragenden Wagner-Exegese zu sprechen. Das fängt natürlich an beim Jahrhundert-Siegfried, bei Lauritz Melchior. Nicht zufällig heißt ein Kapitel in Jürgen Kestings Kompendium der großen Sänger des 20. Jahrhunderts "Wagner-Tenöre im Schatten Melchiors" … Schon rein äußerlich ist sein Durchsetzungs- und Ausdauervermögen angesichts des orchestralen Riesenapparates einzigartig geblieben, ganz zu schweigen von der mühelosen Strahlkraft seines Tenors. Dass der Däne gleichwohl nicht nur heldisch auftrumpfen konnte, belegt sein inbrünstiger, von lyrischer Wärme bis zu überschwänglicher Hingabe sich steigernder Part im Liebesduett des Prologs: schon allein dafür lohnt sich der ganze (doppelte) Restaurierungsaufwand.
Auch wenn Marjorie Lawrence an der Met immer im Schatten Kirsten Flagstads stand (man findet sie kaum in den Sänger-Kompendien), so kann ihre hingebungsvolle, "offenherzig"-menschlich empfindende Brünnhilde von 1936 durchaus neben der herrisch-kühlen Konkurrenz aus Norwegen bestehen. Eduard Habich, Friedrich Schorr und Ludwig Hofman sind Idealverkörperungen der fiesen, machtgeilen Männerriege, vor allem Hagens Machtgier findet in Hofmanns fulminantem Bass eine dämonische Präsenz. Wie sehr man damals auf Textverständlichkeit achtete (mit dem üblichen rollenden "R"), das zeigen auch die wunderbar sonor intonierenden Nornen. Schade, dass diese historische Artikulationskunst von der Aufnahmetechnik nur sehr bedingt eingefangen werden konnte. Dies gilt auch für das rhythmisch ungemein akkurate und vorwärts drängende Dirigat Bodanskys. Dass hier ein ehemaliger Mahler-Schüler am Werke ist (der fast zwanzig Jahre lang den Amerikanern Wagner in höchster Met-Instanz vermittelte), zeigen nicht zuletzt die gleichermaßen orgiastisch wie schlaggenau ausmusizierten orchestralen Highlights dieses grandiosen Weltuntergangsepos.

Christoph Braun, 01.09.2007


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