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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johann Sebastian Bach

Italienisches Konzert, Goldberg-Variationen u.a.

Rosalyn Tureck

VAI/Codaex 4281
(102 Min., 1955, 1961, 1962, 1980) 1 DVD

Das waren noch Zeiten, als es diese Art von "Kulturfernsehen" gab. Nicht nur, dass Radio Canada in der Serie "Camera Three" Künstler von Rang sich produzieren ließ, man sorgte auch für eine entsprechende Atmosphäre, in diesem Fall ein gepflegtes Barock mit Kommode, Kerze und Kamin. Was dem Älteren wehmütige Erinnerungen, den Jungen ein Lächeln entlocken mag, ist letztlich aber nur liebenswerter Hintergrund für eine Künstlerin, die gerade durch ihre Konzentration auf das Werk Bachs von einem Stern überstrahlt wurde: Glenn Gould. Der schrieb über sie: "Ich bin mit (den Aufnahmen von) Rosalyn Tureck groß geworden, und während ich das Spiel von Wanda Landowska zum Beispiel nicht besonders mag, hat mir das der Tureck sehr gefallen und mich auch beeinflusst."
Der Popularität der 1914 geborenen Pianistin hat das wenig geholfen, sie gilt heute eher als Tipp unter Interessierten. Parallelen zu Goulds Spiel lassen sich schnell ausmachen: Es ist vor allem das unbedingt geradlinige Metrum, der fast völlige Verzicht auf Rubato, die beide Interpretationen kennzeichnen. Das war es auch, was Gould gegenüber Wanda Landowska bevorzugte, doch im Übrigen unterschieden sich doch die musikalischen Wege beider Künstler.
Tureck spielt in den "Camera Three"-Sendungen abwechselnd auf Cembalo und Klavier und gibt aufschlussreiche Erläuterungen zu ihrem Stil. So legt sie Wert auf einen historischen Fingersatz, und hier kommt die Geschichte mit dem Daumen ins Spiel, den der Thomaskantor bekanntermaßen als Pionier verstärkt eingesetzt hat, was bei Zeitgenossen und Vorgängern noch vermieden wurde. Interessant sind aber nicht nur die ungewöhnlichen Fingersätze der Amerikanerin, die man in den Großaufnahmen beobachten kann, sondern auch die zum Teil spontan wirkenden Registerwechsel auf dem zweimanualigen Cembalo.
Gegenüber den "Verirrungen der Romantik" verweist Tureck auf die Erkenntnisse der Musikwissenschaft, die seit 25 Jahren (also etwa ab 1930) mehr Klarheit geschaffen habe, der Schwerpunkt einer Interpretation liege aber immer beim Musiker selbst. So ist Turecks Spiel alles andere als theoretisierend oder gar trocken. Wunderbar leicht spielt sie die Gigue aus der Partita BWV 825, und beim tänzerisch angelegten "Italienischen Konzert" hält es die würdevolle Dame manchmal kaum auf dem Klavierhocker.

Matthias Reisner, 01.09.2007


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