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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Antonio Vivaldi

Dresdener Konzerte

Gottfried von der Goltz, Freiburger Barockorchester

Opus 111 OP 30283
(49 Min., 2/2002) 1 CD

Man blickt auf das Coverfoto, erwartet eine Cremeprobe für fettige Haut und findet eine CD mit Musik von Antonio Vivaldi. Ob der positive Marketingeffekt von solchem Mumpitz darin besteht, dass man sich sagt: Besser als andersrum?
Jedenfalls bleibt die verfehlte Vorderfront nicht die einzige Hürde auf dem Weg zur Musik. Die zweite ist der Titel. Ich hatte nicht viel Italienisch an der Uni, aber heißt nicht "I Concerti di Dresda" auf deutsch "Die Dresden-Konzerte"? Also alle? In Wirklichkeit bekommt man nur fünf Exemplare aus dieser hochinteressanten Werkgruppe Vivaldis zu hören, und das kann die Plattenfirma bei mageren fünfzig Minuten Spielzeit noch nicht mal mit mangelndem Platz auf der CD begründen. Doch das Hörerlebnis entschädigt für alles.
Antonio Vivaldi war nie in Dresden, aber seine Werke wurden dort viel gespielt und sind auf diesem Wege auch zu Johann Sebastian Bach gekommen. Wichtigster Vermittler war Georg Pisendel, Konzertmeister der Dresdner Hofkapelle und 1716 im Rahmen einer Venedigreise sogar Vivaldis Schüler. Was die Konzerte, die Pisendel Vivaldi eigens für Dresden schreiben ließ, ausmacht, wird jedem klar, der nur ein paar Minuten davon hört. Die Werke sind von einer für damalige Zeiten geradezu verschwenderischen Besetzung und einer damit verbundenen Klangpracht geprägt. Ein großer Streicherapparat steht Holzbläsern und einer Solovioline gegenüber. Die Partituren strotzen nur so vor Klangfarbenschattierungen.
Wer Alte Musik spielen will, muss bekanntlich zwischen den Zeilen lesen und die Gedanken des Komponisten mitdenken können. Wenn wenig in den (nicht für die Nachwelt gedachten) Noten steht, weil sich vieles im Musizieralltag des Barockzeitalters von selbst verstand, braucht es eine Menge Stilgefühl, um auf dem schmalen Grat zwischen Exzentrik und Langeweile zu bleiben. Dem Freiburger Barockorchester gelingt das in jedem Pulsschlag. Mit starken Ecken und Kanten, mitunter scharfen Kontrastwirkungen, aber auch kluger Architektonik (etwa in den weiten Crescendoflächen) und lyrischen Wirkungen machen die Musiker eine verschwenderische Fülle von Instrumentationsdetails hörbar.
Sie beweisen damit ein tiefes, meines Wissens in dieser Werkgruppe von keinem anderen Ensemble übertroffenes Verständnis dieser Musik, und sie zeigen, dass Barockmusik durchaus mit Klang und nicht nur (wie viele meinen) mit Struktur komponiert wurde. Da rasseln die Hörnertriller, da rauschen die Theorben-Tremoli, da erstrahlt der Streicherklang in Regenbogenfarben, und alles verbindet sich mit atemberaubender Virtuosität, ohne auch nur eine Sekunde steril zu wirken.

Oliver Buslau, 01.09.2007


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