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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Giuseppe Verdi

La Traviata

Mireille Delunsch, Matthew Polenzani, Zeljko Lucic u.a., Orchester von Paris, Yutaka Sado

Bel Air/harmonia mundi BAC 005
(130 Min., 7/2003) DVD 9, PAL, Format 16:9, All Zones

Vom Beginn der Handlung an ist Violetta Valery, die aus der Bahn Geworfene, eine sterbende Frau; kein allzu fernliegender Gedanke ist daher die Idee des Regisseurs Peter Mussbach, La Traviata von vornherein als Reminiszenz zu inszenieren, als Erinnerung an eine Episode, die in ihrer Flüchtigkeit beinahe gar nicht wahr ist. Sie kommt dem Betrachter daher bei einer einsamen nächtlichen Autofahrt in den Sinn: Wir blicken durch die Windschutzscheibe auf die Straße, die weißen Markierungen ziehen vorbei, und es beginnt zu regnen; wir hören, wie aus dem Radio, die tieftraurige Einleitung zum ersten Akt. Plötzlich löst sich aus der vor uns liegenden Dunkelheit, von dort, wohin das Scheinwerferlicht gerade noch reicht, eine Frauengestalt; sie hat in dieser Inszenierung das weißblonde Haar und das Gesicht von Marilyn Monroe, dazu eines dieser typischen weißen Kleider, wie wir sie aus den einschlägigen Filmen kennen – sicher kein Zufall: Auch die Monroe war zuletzt eine sterbende Frau, wie jene schauerliche letzte Fotoserie von Bert Stern eindrucksvoll zeigt, die sechs Wochen vor ihrem Tod entstand. Die Expressivität dieser Porträts, die Abgekämpftheit, von der Monroes Gesicht dort gezeichnet ist, scheint Vorbild gewesen zu sein für die brillante Personenführung, mit der Peter Mussbach seiner Traviata einen schockierend prägnanten, in der Nuanciertheit des Unglücklichseins bedrückend vielschichtigen Charakter verlieh. Mireille Delunsch, die sich in ihrem weißen Kleid immer von ihren dunkel gewandeten Partnern absetzt – wie einsam ist diese Frau in ihrer Todeskrankheit! –, brilliert in der Rolle der unglücklichen Kurtisane darstellerisch wie sängerisch: Reinsten, völlig unverfälschten Ausdruck brachte sie 2003 in Aix-en-Provence, wo diese Aufzeichnung live entstand, auf die Bühne. Hervorragend auch Matthew Polenzani als beweglicher, im Timbre schmelzend weicher Alfredo und Zeljko Lucic, ein Bariton von feinster italienischer Prägung, als recht jugendlicher, aber sehr intensiv agierender Vater Germont. Sie alle stehen im Bann von Peter Mussbachs dichter Inszenierung, die Verdis Oper tatsächlich ganz neu erleben lässt. Wenn ein Regisseur so eindringlich und schlüssig gegenwärtig zu sein versteht, dann verzichtet man gerne auf Kostümorgien à la Zeffirelli.

Michael Wersin, 01.09.2007


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