home

N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Telemann-Fans haben es besser als Bach-Anhänger: Statt zur Passionszeit die zwei immer gleichen Meisterwerke in unterschiedlichen Aufführungen verkosten zu müssen, können Telemaniacs fast jedes Jahr eine neue Version der Leidensgeschichte kennen lernen. Das wichtigste Forum für solche Entdeckungen aus dem schier unerschöpflichen Passionsschaffen des Meisters sind die Magdeburger Telemann-Festtage, denen wir den sehr gut aufgenommenen und aufbereiteten Mitschnitt dieser Erstaufführung verdanken.
Schocks wie den Trompetenjubel nach dem Erlösertod in der Johannespassion von 1745 erspart uns Telemann zwar; dafür überrascht wieder einmal der dezidiert moderne, "galante" Tonfall: die kantable Eleganz mit den modischen rhythmischen Verschiebungen wird nur hier und da durch drastischere Effekte wie den Einfall des Chors in die Arie des Judas durchbrochen.
Diese Stellen sind allerdings auch der Ort, wo man dem Dirigenten Hans-Christoph Rademann mehr Mut zu barocker Theatralität und damit zum entscheidenden Schritt vom belebten zum bekennenden Vortrag wünschen würde. Man merkt Rademann an, dass er vom Chorklang aus denkt: Insbesondere die Choräle singt der Magdeburger Kammerchor wunderbar rund, mit tiefem Atem und elegantem Ausdruck. Die Stilsicherheit des Chors, der zugleich Kammerchor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ist, kommt dabei nicht von ungefähr: Hier zahlt sich die jahrelange Pflege der Musik Telemanns und seiner unbekannteren Zeitgenossen in Magdeburg aus.
Stilsicher ist auch die relativ junge Solistenriege, an der allerdings mehr Gediegenheit und gleichmäßige Höhe des Niveaus denn wirklicher Ausdruckswille erfreut. Um so mehr fällt da die plastische und erquickend deutliche Deklamation des Evangelisten Marcus Ullmann auf: Bei den für heutige Ohren ungewöhnlichen Betonungen, welche die Rezitative in den Passionen Bachs und Telemanns kennzeichnen, fühlt er sich nämlich keineswegs unwohl. Mit seinem beherzten Vortrag macht er vielmehr deutlich, was der tiefere Sinn der vielen Nebenbetonungen und Skansionen war: Auch bei ungünstigen akustischen Verhältnissen und ohne Hörgeräte sollte jedes einzelne Wort der feurigen musikalischen Predigt beim Hörer ankommen.

Carsten Niemann, 01.09.2007


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Der Komponist Giacomo Orefice (1865–1922) wuchs in einer jüdischen Familie im norditalienischen Vicenza auf und ist vor allem für sein Opernschaffen bekannt. Auch als Pädagoge macht er sich einen Namen, sein berühmtester Schüler war der Filmkomponist Nino Rota. Orefices bekanntestes Musiktheaterwerk ist „Chopin“, für das er die Klavierwerke des polnischen Komponisten orchestrierte. Seine eigene Klaviermusik umfasst überwiegend romantische Charakterstücke, die von Gedichten, […] mehr


Abo

Top