In den Siebzigerjahren für Klaus Doldinger gearbeitet zu haben, muss bestimmt eine hippe Angelegenheit gewesen sein. Blöd nur, dass der 1965 geborene Roberto Di Gioia erst 1990 zur “Passport”-Truppe von Deutschlands Jazzrock-Altmeister stieß. Wie wenig Doldingers Herz- und Magen-Band mit aktuellen Jugendbewegungen zu tun hat, zeigte sich nämlich in dem relativ misslungenen Remix-Versuch, der uns vor nicht all zu langer Zeit den CD-Player verklebte. Obwohl Di Gioia auch an der lauwarmen Geschichte beteiligt war, trifft ihn keinerlei Schuld. Er beweist es jetzt mit seinem Projekt Marsmobil, das den Münchner Tastenfuchs mit dem eigenwilligen Klamottengeschmack als coolen Songwriter, Rhythmusprogrammierer, Multiinstrumentalisten und Sitar-Fetischisten zeigt.
Es zahlt sich eben aus, wenn man als begnadeter Pianist nicht nur auf Sideman-Jobs bei Jazz-Großkopferten wie Art Farmer, Johnny Griffin oder Joe Lovano setzt, sondern ab und an über den Mainstream-Tellerrand blickt. Di Gioia arbeitete in der Vergangenheit nämlich auch mit Helge Schneider, Udo Lindenberg oder The Notwist. Diese verschiedenen Einflüsse hört man dem Marsmobil-Album "Strange World" wohltuend an. Es ist verspielt, ohne albern zu sein; es ist sehr retro, ohne anbiedernd zu wirken; es verfügt zudem über seltsame Flower-Power-Texte und führt mit Doldinger, Till Brönner, Nils Landgren, Johannes Enders und Wigald Boning (an der Flöte und gar nicht so schlecht) eine illustre Gästeschar auf der Besetzungsliste. Trotz der fliegenden Wechsel am Solo-Mikrofon lebt die Aufnahme von einer bemerkenswerten Homogenität. Es liegt an der hübsch verkifften Gesangsstimme Lisa Wahlandts. Und natürlich an Di Gioias an Gruppen wie "Air" geschulten Pop-Sachverstand. So ausgebufft hip waren noch nicht mal die Siebziger selbst.
Josef Engels, 01.09.2007
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