Das schöne an Bach sei, sagte Wynton Marsalis, dass man ihn sogar auf elektrischen Gitarren spielen könne und er trotzdem nach Bach klinge. Frank Wingold belegt dies mit seinem Beitrag zum Projekt "Goldberg" der Formation "Sebastian Gramss Underkarl". Der Bandleader und Bassist Gramss nimmt Ideen aus Bachs Klavierübungen und komponiert daraus wilde, manchmal gar lärmige Mutationen, in denen trotz der frechen Neufassung noch Erinnerungen an Bachs Vorlagen durchschimmern. Wingold, der Posaunist Nils Wogram, der Saxofonist Lömsch Lehmann und der Schlagzeuger Jonas Burgwinkel sind hervorragende Partner im Bestreben, barockes Tackern durch Rockrhythmen und Swing zu ersetzen und die Bach’sche Strenge in fröhliches Musizieren und Improvisieren zu überführen. So entsteht ein permanenter Spannungszustand zwischen dem Gestus des Thomaskantors und der – oft perfekt gesetzten – Energie von Underkarl. Die fünf betten Assoziationen an Bach in wild pulsierende oder träge dahingefläzte Klangwelten, und die Solisten decken so ziemlich alles zwischen überdrehten Sounds und klassischem Wohlklang ab. Dabei entdecken sie völlig andere Klanglandschaften, als sie Uri Caine mit seinen Klassikerbearbeitungen vorstellte. Underkarl kanalisiert eher die Magma der Musik, aus deren Hitze Blasen und Flammen, Gesteinsbrocken und Dämpfe, Brüllen und Zischen aufsteigen, während Caine wie ein Gourmetkoch edle Zutaten zu erlesenen Menüs verfeinert.

Werner Stiefele, 08.12.2007

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