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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Schubert

Die schöne Müllerin

Jan Kobow, Kristian Bezuidenhout

Atma/Musikwelt ACD 2 2315
(60 Min., 11/2003) 1 CD

Gestaltung beim Schubert-Lied - ein schwieriges Thema. Einerseits ertragen wir Fischer-Dieskau-Übersättigten es nicht mehr, wenn man jedem kleinen Strophenliedlein das Letzte an gestalterischer Ausdifferenzierung abringt und dabei - im Falle der "Schönen Müllerin" - die Gestalt des unbedarften Müllerburschen aus den Augen verliert. Andererseits müssen wir zugeben, dass in einer allzu "naturbelassenen" Darbietung der "Schönen Müllerin" nach den elektrisierenden Spitzentönen der Ungeduld, mit der mittleren Sektion der Strophenlieder eine Durststrecke beginnt - ein Vorwurf, dem sich selbst Fritz Wunderlich ausgesetzt sehen muss.
Jan Kobow trifft in der vorliegenden Neuaufnahme die goldene Mitte: Im ersten Lied verzichten er und sein Begleiter keineswegs auf die individuelle Gestaltung der einzelnen Strophen, wie wir sie von Fischer-Dieskau her kennen, aber die musikalisch-rhetorische Feinarbeit fällt weitgehend unaufdringlich und natürlich aus, wirkt nicht belehrend. Im weiteren Verlauf des Zyklus' bringt Kobow in seinen Kantilenen immer wieder einmal kleine Verzierungen an - eine Praxis, die u. a. für den Bariton Johann Michael Vogl belegt ist, der von Schubert selbst am Klavier begleitet wurde, und die sich auch in der historischen Müllerin-Ausgabe des Verlegers Diabelli widerspiegelt. Sie weist uns darauf hin, das auch der Schubert'sche Notentext kein vollkommen unantastbares Heiligtum ist. Zu diesem "historisch informierten" Interpretationsansatz passt der Hammerflügel, in seinen Klangmöglichkeiten brillant beherrscht von Kristian Bezuidenhout: Das originale Instrumentarium wird auch im Liedgesang langsam hoffähig, das große schwarze Ungetüm aus dem Hause Steinway oder Bösendorfer bekommt ernsthaft Konkurrenz, ist es doch im kammermusikalisch-intimen Liedgesang, so sehr man sein Farbenspektrum hier auch begrüßt, doch tatsächlich historisch ganz fehl am Platze. Es hat, wie bei allen originalen Instrumenten, eine ganze Weile gedauert, bis es wieder so beherrscht wurde, dass den konservativen Kritikern das Hohnlächeln auf den Lippen gefriert.
Aber zurück zu Jan Kobow: Seine wohlklingende Tenorstimme funktioniert im mittleren und unteren Bereich hervorragend, gehorcht hier dem Ausdruckswillen des sensiblen Gestalters eigentlich ohne Probleme. In der Vollhöhe - namentlich in der schon erwähnten "Ungeduld" - muss man deutlich stumpfere, nicht optimal einschwingende und entfaltete Töne hinnehmen, ein Phänomen, das sich in der Übergangslage durch eine etwas feste Zungenwurzel ankündigt. Was in ungeschminkter Analyse vernichtend klingt, mindert den Wert dieser Einspielung allerdings nur marginal. Im Vordergrund steht die beschriebene geschmackvolle und kreative Gestaltung, für die sich Kobow fast immer auf seine Technik verlassen kann. Die Höhe allerdings sollte er noch besser in den Griff bekommen.

Michael Wersin, 01.09.2007


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