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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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The Complete Verve Tal Farlow Sessions

Tal Farlow

Mosaic/Universal 9863050
(10/1951 - 12/1959) 7 CDs

Tal Farlow zählt zweifellos zu den atemberaubendsten Gitarristen der Jazzgeschichte. Da er aber nicht nur ein grundbescheidener Mensch war, sondern seine letzten Lebensjahrzehnte lieber in seinem gelernten Beruf als Schildermaler und an der Seite seiner Frau verbrachte, als die Strapazen des Musikgeschäfts auf sich zu nehmen, hat er selbst dafür gesorgt, dass er eher eine Kultfigur für Insider blieb. So ist wohl zu erklären, dass von den vielen Verve-Alben des 1998 verstorbenen Meisters (sieht man von teuren Japan-Importen ab) nicht viele erhältlich waren. Mit dieser Box liegen nun seine Verve-Aufnahmen der Jahre 1951 - 1959 - es sind seine wichtigsten! - in einer 7-CD-Box vollständig vor, wie immer bei Mosaic in ansprechender Gestaltung, mit prachtvollen Schwarz-Weiß-Fotos und einer Würdigung aus der berufenen Feder des jüngeren Kollegen Howard Alden. Bekannt wurde der Christian-Schüler in den frühen 50er Jahren im Red Norvo Trio. Drei Aufnahmen mit Norvo stehen auch am Beginn der Box, doch sie bereiten kaum auf das vor, was Farlow dann mit Größen wie Oscar Pettiford, Ray Brown, Hank Jones einspielte, vor allem aber mit seinem regulären Trio, dem der viel zu wenig beachtete Pianist Eddie Costa angehörte. Alden bezeichnet es schlicht als den "Heiligen Gral der Jazzgitarre". Der Überschwang ist verständlich, selbst wenn man die auffälligen Qualitätsschwankungen zwischen den einzelnen Aufnahmesitzungen in Rechnung stellt, die übrigens meist von der Disposition der Mitmusiker abhängen. Mit harmonischer Subtilität, ungewohnten Fingersätzen und eigenen Gitarrenmodellen erschloss Farlow der modernen Jazzgitarre Neuland. Fast könnte man das Vorwärtsweisende, ja selbst die Virtuosität im Spiel des wieselflinken Saitentänzers überhören, denn alles klang bei ihm so mühelos leicht, so ganz ohne jeden Anflug der bald bei Kollegen einsetzenden elektrischen Kraftmeierei. Der Strom diente ihm nicht zur Erzeugung von Lautstärke, sondern erleichterte seine Behändigkeit. Vielarmig wie ein indischer Gott, der sein Griffbrett zur Rennbahn machte, erhielt der kaum je erreichte Techniker den Spitznamen "Octopus". Doch die ruhige Hand des Schildermalers, das offensichtlich harmonische Naturell gibt den Ausschlag. So faszinieren seine besten Aufnahmen in ihrem seltsamen Miteinander von Gelassenheit und Raserei. Obgleich er bisweilen schneller bopte und coolte, als man mitzudenken vermochte, war er stets ein begnadeter Melodiker mit weichem, verhaltenem Sound, dessen Spiel Wärme ausstrahlte und immer auch einen Schuss Humor aufwies. Tal Farlow hat die Geschichte der Jazz-Gitarre nicht so stark geprägt wie etwa Django Reinhardt, Charlie Christian, Wes Montgomery oder Jim Hall. Als kreativer Improvisator, stand er ihnen, das beweist die Box, kaum nach. Sie ist ein würdiges Denkmal, das keiner mehr übersehen kann, der sich für die Geschichte der Jazzgitarre interessiert.

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007


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