Es hat seinen Sinn, dass diese Platte den Titel einer John-Lewis-Komposition trägt. Denn mit "The Golden Striker" wandelt der Meister-Bassist Ron Carter mit nonchalanter Akkuratesse auf den Pfaden, die der vor zwei Jahren verstorbene Gründer des Modern Jazz Quartet der improvisierten Musik aufgezeigt hat. Solo, gut und schön, lautete Lewis’ Motto, aber ohne kompositorische Verzahnung, ohne das polyphon strukturierte Ad-hoc-Zusammenspiel der Einzelstimmen ist das alles nichts.
Ron Carter beherzigt diese Devise auf formvollendete Art. 66 Jahre ist der Tieftöner des legendären zweiten Miles-Davis-Quintetts im Mai geworden. Da fängt das Leben an, einhergehend mit einer konsequenten Rückbesinnung auf das, was wahr, gut und zeitlos ist. Dazu gehört unter anderem der Verzicht auf einen Schlagzeuger. Sowie die Aufgabe der lästigen Unterscheidung zwischen Lead- und Begleitinstrumenten. Heraus kommt dabei ein kompaktes Trio, mit dem Allzweckmann Mulgrew Miller am Klavier, dem stoischen Schalk Russell Malone an der Gitarre und dem weisen Organisator Carter am Kontrabass. Insgesamt vier der neun Stücke auf "The Golden Striker" hat letzterer geschrieben; sie fügen sich nahtlos ein in das kammermusikalische Gesamtkonzept des Albums, das nicht umsonst mit einer abenteuerlich reharmonisierten Version von "Autumn Leaves" schließt.
Standards mögen nämlich andere dudeln - dieses Trio spielt in einer ganz anderen Liga. Dass der Jazz die Klassik der Gegenwart ist, zeigt sich auf "The Golden Striker" ohne jedwede Spur von bildungsbürgerlichem Bartgekraule. Doch, der Plattentitel stimmt: ein Treffer.
Josef Engels, 08.11.2003
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