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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Essencia

Gebhard Ullmann

Between The Lines/EFA 7 18751 01872 3
(59 Min., 2/1999) 1 CD

Wenn neue Alben erscheinen, ist der auf ihnen festgehaltene Status quo oft längst Geschichte. Da wird man, wie hier, auf eine Formation aufmerksam, die man gerne live erlebt hätte – Pech gehabt! Als dieses Album aufgenommen wurde, war der Pianist Jens Thomas noch nicht Deutschlands Senkrechtstarter unter den Jazzpianisten. Kaum ist das Album erschienen, heißt die Pianistin dieses Trios um Gebhard Ullmann Sylvie Courvoisier. Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass nur Ullmann und der portugiesische Bassist Carlos Bica auf der Vorderseite des Albums stehen. Dieser lyrische Tieftöner ist vor allem durch seine Zusammenarbeit mit den Sängerinnen Maria João und Ana Brandao bekannt, aber schon seit vielen Jahren in der Berliner Szene aktiv.
Es passt, dass Ullmanns Album auf der Marke „Between The Lines“ erschienen ist, denn genau dies ist die Musik des ausdrucksvollen Bassklarinettisten, Tenor- und Sopransaxofonisten. Ullmann hat einen Koffer in Berlin und einen in New York. Auch seine Musik ist von ihrem Dasein „zwischen“ alter und neuer Welt geprägt. Zwischen Neuer Musik und Jazz, und da wieder zwischen amerikanischer und amerikanischer Avantgarde angesiedelt, zwischen Atonalität und Tonalität, passt sie in keine gängige Schublade. Wir leben in einer Zeit, wo auf der einen Seite Klischeeverliebtheit, auf der anderen Seite krampfhafte Originalitätssucht herrscht. Ullmann ist aber originell, weil er etwas zu sagen hat. Wenn Jazz, wie ein Kollege einmal sagte, der „Sound of surprise“ ist, dann gehört Ullmann zu jenen, die dafür verantwortlich sind, dass dies heute noch so ist.
„Essencia“ ist – bei aller Liebe zu geräuschhaften klanglichen Schärfen und einigen wenigen Ausbrüchen („Chinesisches Gedicht No. 3“) – ein essentiell verhaltenes, lyrisches Album. Nach dem ersten Hören schien mir der ganze Gestus des Albums sehr europäisch, sehr „weiß“. Desto erstaunter war ich, als mir beim zweiten Hören im Stück „Gospel“ die Nähe Ullmanns zum Sound des scheinbar so anders gearteten Albert Ayler auffiel. Schien mir noch beim zweiten Hören die freie Improvisation zu dominieren, fiel mir beim dritten Mal die planvolle Anlage der zwölf Kompositionen auf. Auch die Stimmung ein und derselben Stelle scheint bei jedem Hören eine etwas andere zu sein. Kurz: Das geheimnisvolle Album ähnelt jenen Edelsteinen, die bei je anderem Licht anders schimmern und scheint so gegen Abnutzungserscheinungen bestens gefeit.

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007


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