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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Paul Hindemith

Ludus tonalis, Suite "1922"

Boris Berezovsky

Warner Classics 2564 63412-2
(71 Min., 2/2006) 1 CD

Das Eintreten für weniger populäre Werke ist vielleicht eines der sichersten Zeichen für die künstlerische Ernsthaftigkeit eines bekannten Virtuosen – und in dieser Hinsicht übertrifft Boris Berezovsky mit seiner vorliegenden CD beinahe noch Marc-André Hamelin: Während man bei letzterem in der Regel darauf zählen kann, dass er in seinen Programmen die Konfrontation mit spieltechnischen Perversitäten sucht und brillant besteht, betreibt Berezovsky mit dem wenig geliebten Namen "Hindemith" auf dem Cover beinahe Antiwerbung für sein neues Produkt – hat Hindemith nicht nach frühen Schockern wie "Sancta Susanna" oder "Mörder, Hoffnung der Frauen" nur noch sprödes, langweilig akademisches Zeug komponiert? Ist nicht seine Musik, basierend auf einer eigenen Harmonielehre, weder Fisch noch Fleisch, weil sie zwar die Dur-Moll-Tonalität "auf den Prüfstand stellt", aber eben auch nicht so richtig modern ist? Bevor man, gestützt auf solche Pauschalurteile, mit Hindemith abschließt, höre man unbedingt noch diese CD – man wird erleben, wie Hindemiths Klavierzyklus "Ludus tonalis" von 1942 unter den Händen eines technisch überlegenen, von hohem Ausdrucksstreben beseelten Interpreten bei aller eigenwilligen Sprödigkeit doch ein überraschend hohes Maß an Charme, Eleganz und gelegentlich auch virtuoser Reizesfülle offenbart; man möchte sich glatt einen guten Rotwein dazu genehmigen. Sollte in dem angeblich so staubigen Akademiker, der sich mit seinen zwölf Präludien und Fugen so selbstbewusst an Bachs "Wohltemperiertes Klavier" anlehnt, doch viel mehr stecken als bisher angenommen? Es sieht ganz danach aus – wenngleich man die These vom radikalen Erbraven des Komponisten im mittleren Alter vor dem Hintergrund der von Berezovsky ebenfalls mitgelieferten spritzig-frechen Suite "1922" nicht ganz ad acta legen möchte. Zumindest verzichtete Hindemith nach seinen "wilden Jahren" auf vorlaute Effekte und allzu plakative äußerliche Reize, das belegt der aufschlussreiche Vergleich der beiden hörenswerten Werke.

Michael Wersin, 01.09.2007


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