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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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John Adams

Naive and Sentimental Music

Los Angeles Philharmonic, Esa-Pekka Salonen

Nonesuch/Warner Classics 7559-79636-2
(44 Min.) 1 CD

Der Titel führt etwas in die Irre: John Adams' bislang größtes Orchesterwerk ist weder naiv noch sentimental. Vielmehr bezog sich Adams auf die Definition Friedrich Schillers, der zwischen dem "naiven" und "sentimentalen" Künstlertypus unterschied. Kurz gefasst vertritt der "Naive" das Schaffen aus der Intuition und dem Instinkt heraus, während für den "Sentimentalen" die Reflektion und Sublimation im Vordergrund steht - Reflektion nicht zuletzt auch von Geschichte und Entwicklung der Kunstgattung, in der er sich bewegt. In "Naive And Sentimental Music" hat sich Adams nach eigener Aussage bemüht, so naiv wie möglich zu sein - wohl wissend, dass dies eine Utopie ist, vor allem im Genre des Orchesterwerks mit seiner Jahrhunderte langen Geschichte.
Vor allem der Kopfsatz der dreisätzigen Komposition spielt mit dem Begriffspaar; gleich zu Beginn erklingt eine von Harfen- und Gitarrenakkorden begleitete einfache Melodie - eigentlich das Urbild des Naiven, doch letztlich einer musikalischen Naivität, die wir nur aufgrund unserer komplexen Hörerfahrung als solche zu definieren gelernt haben. Diese Melodie bricht nun auf zur Reise in unbekannte und immer unwegsamere Gefilde, wird Grundstock einer gigantischen Entwicklung in harmonische und klangliche Extreme. Adams vollzieht hier eine große Synthese seiner bisherigen Musik - von Minimal bis hin zu größter Komplexität. Und er tut dies überzeugender als in seinem großen Oratorium "El Niño" (siehe Rezension).
Überhaupt, ungetrübten Wohlklang wie früher bei Adams (etwa in "Harmonielehre") gibt es hier nicht mehr; scheinbar einfache Konzepte wie die stille Elegie des Mittelsatzes "Mother Of The Man" - eines der schönsten Adams-Stücke aus jüngerer Zeit! - oder die energetische Kehrausstimmung in "Chain To The Rhythm" werden im Laufe der Entwicklung durch dunkle Untertöne, harmonische Konflikte in Frage gestellt, und die Rhythmusorgie des Finales wird bis an den Abgrund getrieben. Mit diesem seinem orchestralen Hauptwerk - und nichts anderes ist "Naive And Sentimental Music" - hat Adams erneut bewiesen, dass ein Komponieren mit den Mitteln der Tonalität auch heute noch ebenso gültige wie faszinierende Resultate zeitigen kann.

Thomas Schulz, 01.09.2007


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