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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Carl Philipp Emanuel Bach

Litaneien, Motetten, Psalmen

Gesualdo Consort Amsterdam, Harry van der Kamp

Sony BMG 82876 70543 2
(82 Min., 02/2003) 1 CD

Carl Philip Emanuel Bach – der gegenüber seinem Vater ewig unterschätzte, in seinem Schatten stehende? Zu seinen Lebzeiten war das keineswegs so: Wer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts "Bach" sagte, der meinte nicht den Alten, sondern seinen erfolgreichen Sohn. Heute, im weiträumigeren Rückblick auf die Musikgeschichte und das Repertoire, hat sich das gründlich geändert: Carl Philip steht allzu sehr für die Zeit des Übergangs zur Klassik, für eine Stilistik, die das eine nicht mehr und das andere noch nicht zu bieten hat. Das eine sind die aberwitzigen Polyfonie-Orgien, die Johann Sebastian etwa in seinen Motetten zu bieten hatte: Es ist wohl eher ein terminologisches Problem, dass Carl Philips Hammerklavier-begleiteten geistlichen Gesänge auf der ersten CD dieser Sammlung auch "Motetten" heißen; für sich genommen sind sie Meisterwerke des homofonen vierstimmigen Satzes in weiter Lage, zeichnen sich aus durch ein souveränes Miteinander aussagekräftiger Harmonik und deklamationsfreundlicher Rhythmik. Vater Bach im Hintergrund ist nicht zu überhören, aber das Ganze nimmt freilich eine ganz andere Richtung: Keine satztechnisch grandiosen Bauwerke werden hier voll Demut einem alles durchdringenden, alles umfassenden Schöpfergott vor die Füße gelegt, sondern es handelt sich um Ausdrucksformen einer individualisierten, mehr ins empfindsame Innenleben verlegten Spiritualität.
Mehr in den privaten Bereich der häuslichen Andacht gehören die beiden großen Litaneien: Die "alte" in Martin Luthers Worten und die "neue" von Klopstock (der Vergleich der "aufgeklärten" Neudichtung mit Luthers unumwunden direkten Elaborat spricht Bände). Bach gelingt es, die beiden fast halbstündigen Werke mit ihrer redundant responsorialen Textstruktur so abwechslungsreich durchzugestalten, das keine Langweile aufkommt. Er präsentiert dabei kaleidoskopartig eine harmonische Sprache, die nicht minder nuancenreich und intrikat als diejenige seines Vaters.
Das Gesualdo Consort Amsterdam und Leitung von Harry van der Kamp darf als optimaler Anwalt für diese hier erstmals eingespielte Musik gelten: Höchste Ensemblekultur in puncto saubere Intonation, klangliche Balance und perfekte Sprachbehandlung bedingt eine unübertreffliche souveräne, homogene Darbietung voll expressiver Kraft und lyrischer Schönheit.

Michael Wersin, 01.09.2007


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