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RONDO: Jugendliche für Klassik zu begeistern – ist das nicht mittlerweile zu einer Sisyphosarbeit geworden?
Martin Stadtfeld: Natürlich denken immer noch viele der Kinder und Jugendlichen zunächst: Klassische Musik ist was Doofes. Doch plötzlich stellen sie fest: Es ist ja gar nicht so blöd. Es kommt eigentlich nur darauf an, wie man Menschen, deren Festplatte von klassischer Musik noch vollkommen unbespielt ist, in wenigen Minuten packt. Ich versuche das über die Emotionen. Man muss die Kinder direkt ansprechen: Ihr kennt das doch, wenn Ihr mal ganz schlecht drauf seid. Und dass solche Momente auch in der Musik ausgedrückt sein können …
RONDO: Welche Musik wählen Sie dann als Beleg dafür aus?
Stadtfeld: Ich spiele meistens Bach, weil das die absolut ideale Musik ist. Bach schlägt eigentlich jeden in Bann, weil die vielen kurzen Stücke alle emotionalen Seiten abdecken und jeweils radikal in ihrer Aussage sind.
RONDO: Und wie sind die Reaktionen?
Stadtfeld: Es erreichen mich ganz emotionale Kommentare. Ein Mädchen kam zu mir und sagte, ihre Freundin habe bei einem Stück geweint. Das wäre so schön gewesen. Die Reaktionen sind immer sehr direkt. Vor allem bei Bach. Jeder möchte direkt mitwippen, wenn die Stücke Drive besitzen. Andererseits sollte man sich darüber im Klaren sein, dass man damit die Welt nicht verändert. Der Effekt kann schnell wieder verpuffen. Man müsste unmittelbar daran anknüpfen. Mit kontinuierlichem Musikunterricht – der eben oft nicht stattfindet.
RONDO: Dennoch streuen Sie immer wieder solche Projekte in Ihren Tourneeplan ein …
Stadtfeld: Mir macht es Spaß, in die Schulen zu gehen. Mein erster Schulbesuch fand ja in einer Hauptschule statt. In einem sogenannten Problemstadtteil in Dortmund. Und ich wusste gar nicht, was mich da erwartet. Ich war vorher ziemlich nervös. Aber alles hat wunderbar geklappt. Und das hat mir die Augen ein bisschen geöffnet, wie groß die Magie und Ausstrahlungskraft von klassischer Musik überhaupt ist. Inzwischen bin ich aber an einem Punkt, an dem ich überlege, in welche Richtung ich diese Art von Jugendarbeit bringe. Ich möchte gerne Gesprächskonzerte in einem Konzertsaal veranstalten, in den ganze Schulklassen kommen können. Mein Traum wäre, wenn ich mit dem »Wohltemperierten Klavier« auf Tournee bin, jedes einzelne Konzert mit einem Kinderkonzert zu koppeln.
RONDO: Vorerst haben Sie aber mit einem anderen Projekt Neuland betreten. Neben der Einspielung des »Wohltemperierten Klaviers« erklärt Martin Stadtfeld Kindern diesen Zyklus …
Stadtfeld: Es ist für mich ein Versuchsballon. Ich will damit vermitteln, was dieses Werk und überhaupt Musik ausmacht. Und das genau zeigt das WTK. Im Gespräch mit einem zwölfjährigen Mädchen stelle ich den Menschen Bach, die Sinnlichkeit von Fugen, aber auch diverse Instrumente vor. Exemplarisch dafür habe ich ein Präludium auf dem Clavichord, der Orgel, dem Cembalo und schließlich auf dem Klavier gespielt. Um zu zeigen, wie unterschiedlich sich ein und dasselbe Werk anhört. Und wie universell diese Musik ist.
Guido Fischer, 03.05.2014, RONDO Ausgabe 5 / 2008
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