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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Ironie der Empfindlichkeit: Alfred Brendels Pianistenkarriere ist in Wien mit einem Handyklingeln zu Ende gegangen. Nachdem der 77-Jährige im Wiener Musikverein seinen offiziell letzten Auftritt absolviert hatte (mit Mozarts »Jeunehomme«-Konzert), winkte er leise »Servus«. Das Publikum gab sich nicht zufrieden. Als Brendel (nach einem Halbdutzend Verbeugungen) zu einer allerletzten Zugabe ausholte, wollte es das Schicksal, dass der oft beschworene Albtraum des Pianisten wahr wurde: Mitten hinein in Liszts »Au lac de Wallenstadt« (aus den »Années de pèlerinage”) klingelte ein Mobiltelefon. Die Branche will sich für die Gemeinheit mit einem »Echo« entschuldigen.
»Nachtigalla assoluta« Edita Gruberova hat, so hört man aus der Schweiz, ihr letztes Interview gegeben. Nachdem die Diva sich bereits mit dem Zürcher Opernintendanten Alexander Pereira überworfen hat, rast sie erneut, weil neben ihrem Interview in der Schweizer »SonntagsZeitung« ein falsches Foto gedruckt wurde (das nicht sie zeigt). Immerhin hat sie bei dieser Gelegenheit ihre letzten Geheimnisse gelüftet: »Meine Freizeit gehört in großem Maße meinem Garten«, sagte sie. »Ich säe, schneide, wetze, reche, mähe, grabe die Erde um, alles ohne Handschuhe.« Schon in ihrer Kindheit habe die Familie von selbst angebautem Gemüse gelebt. Das Geheimnis ihrer langen Karriere brachte die 62-Jährige gleichfalls auf einen rustikalen Nenner. Sie gönne sich nach jedem Konzert drei Tage Ruhe. Denn: »An der Wurst muss man sparen, solange sie groß ist.«
Die Finanzkrise erreicht das Dirigentenpult. Gilbert Kaplan, als Hobbydirigent von Mahlers »Auferstehungssinfonie« zu Weltruhm gelangt, ist erstmals von einem Orchester öffentlich verspottet worden. Musiker des New York Philharmonic bezeichneten das Gastspiel des Millionärs als »traurige Farce« und ihn selbst als »Scharlatan«. Der Vorfall zeugt vom Zerbrechen des Verhältnisses zwischen Kunst und privatem Geld. Der drohende Kollaps der südkalifornischen Stockton Symphony, der Orchestras of Pasadena sowie der Santa Clarita Symphony waren nur erste Vorboten. Inzwischen sind auch Opernhäuser, etwa die Baltimore Opera und die Opera Pacific, zahlungsunfähig. Die New Yorker Metropolitan Opera senkt ihre Preise für beste Plätze am Wochenende (von bis zu 295 auf 25 Dollar). In Europa hat Italien als Krisenbarometer die Nase vorn. Hier sind durch den Plan der Regierung Berlusconi, den Kulturetat in den kommenden drei Jahren um gut 960 Millionen Euro zu senken, sämtliche Opernhäuser akut vom Zusammenbruch bedroht.
Einmalige Gelegenheit für Lorin-Maazel-Fans. Der Dirigent und seine Frau Dietlinde Turban-Maazel vermieten ihr Privatanwesen in Castleton (US-Bundesstaat Virginia) zum Preis von 50.000 Dollar pro Nacht. Der Besitz verfügt über geheizte Pools, finnische Sauna, diverse offene Kamine, einen »commercial- size movie screen«, eine Bowlingbahn sowie einen Streichelzoo. Für einen Chauffeur-Zubringer von Washington D.C. (Fahrtzeit: 90 Minuten) und für ein Konzert in Maazels Privattheater ist gesorgt. Der Erlös kommt selbstredend einem guten Zweck zugute: Maazels eigener »Châteauville Foundation«.
Betty Freeman, die große Mäzenin der amerikanischen Musik, ist tot. Freeman gab 432 Werke bei 81 Komponisten in Auftrag, darunter Steve Reich, La Monte Young, Pierre Boulez, Helmut Lachenmann und Kaija Saariaho. Von David Hockney wurde sie als »The Beverly Hills Housewife” porträtiert, John Cage widmete ihr die »Freeman Etudes«. Philipp Glass wurde von ihr bereits finanziell unterstützt, als er noch Taxi fuhr. Als bedeutendstes, von der fragilen Dame ermöglichtes Werk gilt John Adams’ Oper »Nixon in China«. Freeman, die ihr Vermögen von ihrem Vater erbte, besuchte grundsätzlich nur Aufführungen von Werken, die sie noch nicht kannte. Solange ihr Mann lebte, kamen beide gemeinsam, saßen jedoch getrennt – weil Freeman die Stöhngeräusche und Missfallensbekundungen ihres Mannes nicht ertragen konnte. (Er liebte nur Verdi und Rossini.) Kaija Saariahos von ihr finanzierte Oper »L’amour de loin« hörte Freeman so oft, bis sie eine anfängliche Abneigung überwunden hatte. Das bedeutet: sieben Mal. »Neue Musik verlangt viel von uns«, sagte sie.

Robert Fraunholzer, 12.04.2014, RONDO Ausgabe 1 / 2009



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