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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Hans-Christoph Rademann (c) Holger Schneider

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Star-Sopranistin Renée Fleming glaubt nicht daran, dass gutes Aussehen für eine Klassik- Karriere von entscheidender Bedeutung ist. „Ich gestehe, dass mir keine Beispiele einfallen, wo man sagen würde: ‚Schade, dass sie nicht besser aussieht’“, sagte sie in Wien. „Charisma ist wichtiger. Und: Ehrlichkeit auch.“ Wenn man nicht ehrlich mit dem Publikum sei, nütze einem die schönste äußerliche Fassade nichts. Die Zukunft ihrer Karriere als Richard Strauss-Sängerin sieht Fleming, die zu Ostern in Salzburg „Arabella“ singt, eher skeptisch. „Ich habe mich ein wenig mit ‚Intermezzo’ beschäftigt. Das Problem ist: Es handelt sich fast nur um Parlando. Ich bräuchte zu lange dafür.“ Die Kaiserin in der „Frau ohne Schatten“ wiege „stimmlich zu schwer“. Und „Ariadne“ wolle sie zumindest „niemals an der Metropolitan Opera singen. Das Orchester ist zu groß. Und nachdem Jessye Norman die Rolle dort gesungen hat, erwartet man größere Stimmen“. Insofern: nichts wie nach Salzburg! Oder Dresden.
Den gesundheitlich angeschlagenen Pierre Boulez (89) wird beim Lucerne Festival in diesem Jahr Simon Rattle vertreten. Intern wird davon ausgegangen, dass Boulez, der kaum noch sehen kann, nicht mehr auf das Dirigentenpult zurückkehren wird. Dagegen ersetzt Andris Nelsons vorerst den verstorbenen Claudio Abbado. Dies löst indes nur einige Terminfragen der laufenden Saison. Laut Intendant Michael Haefliger sei beschlossen, an der Existenz des von Abbado gegründeten Lucerne Festival Orchestra auch in der Zukunft festzuhalten. Abbado war im Januar in seiner Wohnung in Bologna an den Folgen seiner Krebserkrankung gestorben. Im Herbst hatten Metastasen eine weitere Operation nötig gemacht. Noch im Dezember ging Abbado fest davon aus, in absehbarer Zeit auf die Bühne zurückkehren zu können.
Yvonne Kálmán, Tochter und Erbin des Komponisten Emmerich Kálmán (1882– 1953), musste sich nach dem Tod ihres Vaters in psychiatrische Behandlung begeben, um den Verlust zu verarbeiten. „Ich war verloren, als mein Vater starb“, so Yvonne Kálmán in Berlin. „Das Verhältnis zu meiner Mutter Vera war nicht besonders eng. Sie schaute immer nur auf die Uhr, wann sie Verabredungen mit ihren Freundinnen hatte. Wir haben irgendwann das Mutter-Tochter-Konzept aufgegeben. Das war gut für uns beide.“ Yvonne Kálmán reist bis heute um die Welt, um das Werk ihres Vaters zu fördern. Sie lebt in Mexiko, in den USA und München.
Dirigent Stefan Soltesz sieht sich nach 16 Jahren an der Oper Essen als echtes Arbeitstier. „Mich erschüttert nichts mehr“, sagte er in Berlin. Er habe sein Dirigentenleben nach der Devise geführt: „Irgendjemand muss es ja machen“. „Ein Abend ‚Hänsel und Gretel‘ in Hamburg, am nächsten Tag eine Doppelvorstellung in Berlin“. Schon durch solche Erfahrungen seiner ‚Galeerenjahre‘ sei er zum Fleiß erzogen worden. Leider habe sich der „Kampf ums Geld (...) in den letzten fünf bis sechs Jahren verschärft“. Daher habe er in Essen nicht weitermachen wollen. Obwohl er sich mit 65 Jahren nun noch einmal neu als freier Dirigent auf dem Markt zu behaupten hat, plagen ihn keine Entzugserscheinungen. „Als Intendant? Sie machen Witze!“
Der bekannteste Musikkritiker Österreichs, Karl Löbl, ist tot. Er starb Ende Januar im Alter von 84 Jahren. Bekannt wurde er vor allem als TV-Nachtkritiker direkt im Anschluss an große Premieren. Als Nachfolger von Marcel Prawy moderierte er Einführungsmatineen an der Wiener Staatsoper. 1956 hatte ein Interview Löbls mit Karl Böhm zu dessen Sturz als Staatsoperndirektor geführt. Löbl hatte Böhm das Bekenntnis entlockt, er gedenke nicht, seine internationale Karriere der Wiener Staatsoper zu opfern.
Chordirigent Hans-Christoph Rademann, seit letztem Jahr Nachfolger von Helmuth Rilling (80) bei der Internationalen Bach-Akademie Stuttgart, hat daselbst kein leichtes Spiel. Rilling, so hört man, versammelt angeblich einen neuen Chor um sich, welcher der ursprünglich von ihm gegründeten Bach-Akademie Konkurrenz machen würde. Rilling hatte die Wahl Rademanns ursprünglich unterstützt; dann aber realisiert, dass die Politik einen sauberen Schnitt und Wechsel, also einen echten Rücktritt des Seniors wünschte. Was auch nötig ist, da Rademann ästhetisch einen – durchaus überfälligen – neuen Kurs fährt. Mit der Bach-Akademie hatte Rilling in der Vergangenheit fast 175 CD-Aufnahmen vorgelegt.

Robert Fraunholzer, 29.03.2014, RONDO Ausgabe 2 / 2014



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