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RONDO: Karlheinz Stockhausens »Hymnen« hat Sie seit der Uraufführung begleitet. Jetzt führen Sie das 40- minütige Stück in Köln an einem Abend gleich zweimal auf, warum?
Peter Eötvös: Es ist eine ungewöhnlich komplexe Musik für Tonband und Orchester, die man beim ersten Hören nicht ganz begreift. Beim zweiten Mal kann man viel Neues entdecken.
RONDO: Was ist das Besondere an diesem Stück?
Eötvös: Die vierkanalige Tonbandaufnahme mit Musik und Geräuschen ist mit den live gespielten Instrumentalklängen gemischt. Das Publikum hört aus dem Saal aus jeder Richtung andere Informationen. So entsteht ein wunderbarer Klangraum.
RONDO: Was hat es mit dem Titel auf sich?
Eötvös: Er ist ganz wörtlich zu nehmen: Dutzende Nationalhymnen hat Stockhausen so komponiert, als würden wir sie über einen Kurzwellen-Empfänger aus dem Äther erleben. Auch die Dokumentaraufnahmen können wir hören, die aus Gesprächen im Studio entstanden sind, etwa Stockhausens Stimme, wenn er sagt: »Wir müssen den Ozean in ein paar Sekunden überqueren überqueren « – und dann springt die Musik aus Amerika nach Spanien über.
RONDO: Wie war ihre Beziehung zu Stockhausen?
Eötvös: Ich kam mit einem Stipendium 1966 von Ungarn nach Köln, weil damals diese Stadt das Weltzentrum der Neuen Musik war. Mich hat vor allem das Elektronische Studio und das Sinfonieorchester des WDR interessiert. Ich habe davon geträumt, Stockhausen kennenzulernen und das Schicksal hat mitgespielt. Denn in der Hochschule fand ich einen Anschlag: »Stockhausen sucht Kopisten«. Ich ging hin und war monatelang damit beschäftigt, die Partitur seiner »Telemusik« zu kopieren. Ab da hatten wir mehr als 40 Jahre Kontakt zueinander, bis zu seinem Tod. Ich war Musiker in seinem Ensemble, habe Klavier, Schlagzeug und Synthesizer gespielt, arbeitete als Tonmeister und schließlich dirigierte ich seit Mitte der Siebzigerjahre unzählige Male seine Orchester- und Ensemblestücke, auch die Uraufführungen von »Donnerstag aus Licht« an Covent Garden und »Montag aus Licht« an der Mailänder Scala.
RONDO: Wie hat Stockhausen Sie beeinflusst?
Eötvös: Nach meiner ungarischen Ausbildung, die hauptsächlich auf die Fortsetzung der Tradition aufgebaut war, entdeckte ich erst in Köln, dass Musik in direktem Zusammenhang mit physikalischen Gegebenheiten steht: Ein Klang entsteht nicht durch Tradition, sondern muss erst einmal erzeugt werden. Erst wenn ich die physikalischen Parameter der Klänge kenne, kann ich meine eigene Musik bewusst »bauen«, im wörtlichen Sinne von »komponieren«!
RONDO: Beim Kompositionswettbewerb der Musik- Triennale wirken Sie auch als Juror. Nach welchen Kriterien urteilen Sie?
Eötvös: Zum ersten mal veranstaltet die Kölner Philharmonie einen Kompositionswettbewerb für Komponisten im Hochschulalter. Dadurch kann man gewissermaßen »frühreife« Talente entdecken. Bei der Bewertung ist für mich die Eigenständigkeit der kompositorischen Ideen und Gedanken ausschlaggebend. In diesem Wettbewerb waren einige bemerkenswerte Stücke dabei und kein einziges, bei dem ich sagen könnte, aus welcher Kompositionsklasse der Komponist oder die Komponistin kommt. Früher habe ich oft die rein optischen Kopien von berühmten Professoren in der Partitur gesehen, das ist jetzt vorbei – zum Glück!
Klaus Kalchschmid, 08.02.2014, RONDO Ausgabe 2 / 2010
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