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Das Mühlrad plätschert, das Bächlein gluckert und das Vöglein zwitschert. Es ist leicht, das »Deutsche Volkslied« der Realitätsflucht zu bezichtigen – oder, weniger idyllisch, mit hochroten Männergesangsvereinsköpfen zu assoziieren, ganz zu schweigen vom Schlager-Trash der permanenten »Frühlingsfeste der Volksmusik«, denen zum schenkelklopfenden Rundumglück nur noch die unselige schwarzbraune Haselnuss fehlt. Dass es auch ganz anders geht, geschmackvoll und klug, das zeigt nun die neue Publikation »Wenn ich ein Vöglein wär«. Zwar bekennt auch sie sich vordergründig zu jener dem Genre geradezu naturhaft eingeschriebenen Idylle, wie am Titel und den aufwendig reproduzierten Bildern Paul Heys zu sehen ist, also jenes Münchner Malers, der sich wie kein Anderer dem deutschen Gemüt verschrieb und 1939 als Märchenillustrator auf Zigarettensammelbildchen (!) berühmt wurde.
Aber die von Daniela Majer konzipierte, von Melanie Unseld mit kritischem Einführungstext versehene Sammlung von 24 Liedern offenbart sogleich: Wer sich ernsthaft, das heißt jenseits der Klischees, mit der Gattung auseinandersetzt, der staunt über deren Gehalt und Vielfalt – von Silchers »Loreley«-Chorsatz über Mozarts »Komm, lieber Mai«, Schuberts »Lindenbaum« und »Heideröslein«, Schumanns titelgebendem Duett bis zu Brahms’ Volks- und Kinderliedern, die in ihrem Minimalismus der Mittel wahrhaft subtile Kleinode sind. Die Auswahl berührt den Hörer, nicht nur den romantisch veranlagten, in seinem Innersten. Zumal ein melancholischer Grundton vorherrscht, der nicht nur der vielbesungenen unerwiderten Liebe geschuldet ist, sondern auch jener »äußeren« harten Realität, der sich im sogenannten »romantischen« Jahrhundert hungernde Kinder oder bettelarme Auswanderer ausgesetzt sahen (»Muss i denn zum Städtele hinaus«, das bekanntlich durch Elvis auch nach Übersee getragen wurde). Auch die politisch-aufklärerisch-demokratische Dimension wurde nicht vergessen: »Die Gedanken sind frei« wird im Chor von vier Pfadfinderinnen und der Ideengeberin Daniela Majer unter der Führung von Annette Dasch präsentiert.
Helmut Deutsch (hier tätig auch als kundiger Arrangeur), Gerold Huber und Eric Schneider haben sich die namhaftesten Sängerkollegen an ihren Flügel gebeten, wobei man differenzieren kann zwischen einer ganz und gar dem Sujet angemessenen natürlichen Tongebung, die beispielsweise Christian Gerhaher, der burschikos auftrumpfende Detlef Roth oder die jugendlich frisch aufsingende Stella Doufexis an den Tag legen, und der etwas opernlastig tremolierenden Art einer Angelika Kirchschlager. Mit Singer Pur und den Windsbacher Knaben sind bewährte, auf diesem Sektor geradezu vorbildliche Ensembles am Werk, deren unprätentiöser Wohlklang bei zwei Silcher-Titeln zu genießen ist. Nicht nur deshalb wünscht man sich bald die Fortsetzung dieser glückvollen Ehrenrettung einer unglücklichen Gattung.
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