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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Juan Diego Flórez

Weihnachten am Strand

Dieses Jahr werden wohl viele Herzen unterm Christbaum schmelzen: Mit einem Weihnachtsalbum meldet sich der peruanische Lockenkopf und Tenorliebling zum Ausklang des Jahres zurück. Miquel Cabruja hat sich mit ihm unterhalten.

RONDO: Herr Flórez, »Santo« ist ein sehr persönliches Album geworden.

Juan Diego Flórez: Ich wollte nicht irgendeine Weihnachts-CD aufnehmen, sondern ein Programm zusammenstellen, das genau zu mir passt. Deswegen habe ich hochvirtuose Arien aus Messen von Rossini oder sakrale Musik von Bellini ausgewählt. Es ist also eine ordentliche Dosis Belcanto für mich dabei. Darüber hinaus wollte ich dem Album auch eine südamerikanische Note geben. Das war aber gar nicht so einfach, da ich ein Stück für Tenor und Chor haben wollte. Da ich nichts fand, habe ich es einfach selbst geschrieben.

RONDO: Komponieren Sie regelmäßig?

Flórez: Im Konservatorium habe ich etwas Kompositionsunterricht gehabt und mich mit Orchestrierung beschäftigt. Ich habe schon oft peruanische Lieder orchestriert. Aber bei »Santo« habe ich erstmals auch eine Melodie erfunden. Es bleibt aber ein peruanisches Stück. Nur auf diesem Feld traue ich mir das Komponieren zu. Ich bin mit dieser Musik aufgewachsen, kenne die Rhythmen und habe ein Gefühl dafür, was geht und was nicht.

RONDO: Ihr Vater war Volkssänger.

Flórez: Er war sogar ein ziemlich guter Sänger. Mit ihm bin ich als Kind zu einer Menge Konzerte gegangen und habe den Reichtum der peruanischen Musik kennengelernt: Lieder von der Küste, aus dem Bergland und dem Dschungel. All das habe ich aufgesogen wie ein Schwamm.

RONDO: Ihr erster Kontakt zur Musik?

Flórez: Ich bin mit Populärmusik aufgewachsen. Und als ich mit 17 aufs Konservatorium in Lima ging, hatte ich von Klassik keinen blassen Schimmer und wollte Popsänger werden. Aber es kam anders. Ich sang im Coro Nacional del Perú und lernte dort die Musik von Bach und Mozart kennen. Die klassische Musik hat mich gewissermaßen erobert. Ich merkte: Das ist meine Berufung!

RONDO: War das auch der Moment, als Sie Ihre Liebe zum Belcanto entdeckten?

Flórez: Mein Gesangslehrer, der auch den Coro Nacional dirigierte, war selbst Tenor und ganz versessen auf die Musik des Belcanto. Mit ihm habe ich Arien von Rossini, Mozart und Haydn erarbeitet. »Comfort ye...« aus dem »Messiah« oder »Mit Würd’ und Hoheit angetan« aus Haydns »Schöpfung « habe ich schon als Student gesungen.

RONDO: Beide Arien sind auch auf Ihrer neuen CD enthalten. »Santo« erzählt also auch einiges über Ihre Geschichte als Musiker. Erfährt der Zuhörer auch etwas über Ihr Verhältnis zu Weihnachten?

Flórez: Ich bin kein religiöser Mensch. Aber Weihnachten ist für mich ein Fest des Innehaltens, ein Augenblick, in dem die Welt zusammenrückt. In Peru, wo im Dezember Sommer ist und man die Tage am Strand verbringt, ist es ein Fest, zu dem viel gesungen wird. Weihnachten ist bei uns viel fröhlicher als in Europa.

RONDO: Muss man als Tenore di grazia besondere Sorgfalt bei der Auswahl des Repertoires walten lassen?

Flórez: Man sollte nur singen, was einem in den Stimmbändern liegt. Es ist wichtig zu spüren, welche Rollen zu einem passen. Man sollte weder zu leichte noch zu schwere Partien wählen, denn beides kann schädlich sein – vor allem wenn man ein junger Sänger ist. Schließlich soll die Stimme ja über Jahre halten. Leider haben wir Sänger oft keine klare Idee in Bezug auf die Möglichkeiten und Grenzen unserer eigenen Stimme.

RONDO: Die Musikindustrie ist da oft leider auch nicht sehr hilfreich.

Flórez: Am Ende sind wir aber selbst verantwortlich. Niemand steht hinter uns mit der Pistole und zwingt uns, etwas zu singen, das nicht gut für uns ist.

RONDO: José Cura, Rolando Villazón, Juan Diego Flórez ... Wie erklären Sie sich, dass so viele gute Tenöre aus Südamerika stammen?

Flórez: Vielleicht liegt es daran, dass man hier noch sehr viel singt und in der Volksmusik verankert ist. Das erklärt sicher auch den Erfolg großer peruanischer Sänger der Vergangenheit wie Alejandro Granda, der unter Toscanini an der Scala sang oder Ernesto Palacio, der auch in Mailand auftrat. Ja, und jetzt singe ich an der Scala (lacht). Peru ist wohl ein Land, das gute Tenöre hervorbringt.

Neu erschienen:

Santo - Sacred Songs

Jose Diego Florez, Teatro Comunale di Bologna Chorus & Orchestra, Michele Mariotti

Decca/Universal

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Miguel Cabruja, 04.01.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2010



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